Wirtschaftswende

„Hierfür braucht es keine Sparpolitik in den Krisenländern sondern einen ganzheitlichen Umbau auf sozialer, kultureller, demokratischer und ökologischer Ebene. Einen solchen Umbau haben wir in unserem Appell als „Wirtschaftswende“ bezeichnet. Der Appell richtet sich an Abgeordnete des deutschen Bundestages und des europäischen Parlaments und wurde zusammen mit der Akademie Solidarische Ökonomie, der BUNDjugend, FairBindung, der NAJU und dem Förderverion Netzwerk Wachstumswende konzipiert. Erstunterzeichnende sind zahlreiche Professor*innen und Sachverständige der Enquete-Kommission des Bundestages “Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität”.

Wichtige Ziele sind dabei eine gerechte Verteilung des Reichtums, die Etablierung eines nachhaltigen Wohlstandsmodells und eine Demokratisierung der Europäischen Union. Dabei muss Deutschland voran gehen, denn es ist in der Eurokrise in einer besonderen Lage: Durch die Exportüberschüsse in der Vergangenheit wurde ein (ungleich verteilter) Reichtum erwirtschaftet, der Handlungsspielräume eröffnet. Als Gläubiger ist Deutschland mitverantwortlich für die Schuldenkrise. Gleichzeitig hat Deutschland durch seine starke Wettbewerbsfähigkeit eine große Handlungsfähigkeit und Verantwortung. Anstatt sich einseitig für Sparmaßnahmen einzusetzen, sollte die deutsche Regierung einen zukunftsfähigen Weg aus der Krise suchen.Konkret heißt das erstmal a) eine ambitionierte sozial-ökologische Finanz- und Steuerreform und b) eine Verkürzung der Arbeitszeiten, flankiert von einem würdigen Mindestlohn. Das Ergebnis wäre ein Schritt hin zu einer sozial gerechteren, umweltfreundlicheren Gesellschaft, in der Vermögen und Einkommen gerechter verteilt und die (Lohn)arbeitszeiten kürzer wären, sodass mehr Zeit für die wesentlichen Elemente eines guten Lebens bliebe.Soweit also zur Steigerung des Wohlbefindens des reichen Partners in der Beziehung.

Wie steht es aber mit den Krisenländern? Die oben skizzierten Maßnahmen in Deutschland sind auch deshalb nötig, weil sie den Krisenländern eine Chance geben, mit der deutschen Wirtschaft zu konkurrieren. Denn Deutschland ist mithilfe von Lohnzurückhaltung und der Unterbewertung des Euro im Verhältnis zur deutschen Wirtschaftsleistung zu wirtschaftsstark geworden. Hierbei wird der Konstruktionsfehler des Euros deutlich: Wie soll eine gemeinsame Währung stabil sein, wenn die Mitgliedsstaaten wirtschaftspolitisch gegeneinander konkurrieren? Anders gesagt: Wie soll man eine glückliche Beziehung führen, wenn die Partner_innen systematisch gegeneinander arbeiten? Es geht nicht um eine Wettbewerbs- und Wachstumsstrategie, sondern um die Befriedigung der materiellen Grundbedürfnisse als Voraussetzung für einen sozial-ökologischen Wandel auch in den wirtschaftlich schwächeren Staaten.

Sozial-ökologische Transformation statt Wettbewerbspolitik

Statt bei dem Versuch, die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer durch Sparzwänge und Lohnkürzungen zu erhöhen, eine europaweite Rezession hervorzurufen und Millionen ins Elend zu stürzen, sollten wir also eine sozial-ökologische Transformation der EU beginnen. Nach einer solchen Wirtschaftswende wird die EU dann vielleicht mit geringeren Wachstumsraten auskommen müssen, aber dies sollte uns eine demokratische, nachhaltige und solidarische Europäische Union wert sein. Grundlage einer funktionierenden Beziehung sind gemeinsame Werte, Respekt und Solidarität und nicht ein gemeinsames Bankkonto.“

Der gekürzte Text vom 21.8.2013 wurde auf der Website BlogPostwachstum publiziert und stammt von Nina Treu und Kai Kuhnhenn. Sie arbeiteten (damals) beim Konzeptwerk Neue Ökonomie. Das Konzeptwerk ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Think Tank aus Leipzig. Es entwickelt und verbreitet Konzepte für eine soziale und ökologische Wirtschaft.