Claus Leggewie: Digitalisierung und Demokratie. Was oft vergessen wird
304 Aufrufe•03.10.2019
Collegium Helveticum Was oft vergessen wird Referent: Prof. Dr. Claus Leggewie (Inhaber der Ludwig Börne-Professur an der Justus-Liebig-Universität Giessen) Einführung: Dr. Christian Ritter (Collegium Helveticum) Moderation: Prof. Dr. David Gugerli (Fellow am Collegium Helveticum)
Das Referat wurde am 30. September 2019 in der Semper-Sternwarte in Zürich gehalten (Details siehe: http://bit.ly/2Zp7hAY) und war Teil der vom 27. September bis zum 1. Oktober 2019 durchgeführten Themenwoche des Collegium Helveticum mit dem Titel «Staat – Demokratie – Digitalisierung». Das Gesamtprogramm der Themenwoche: siehe unter http://bit.ly/326k9ca
Im Herbst 2015 beschlossen die Vereinten Nationen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit 17 Entwicklungszielen, den sogenannten SDGs. Mit diesem Aktionsplan „for people, planet and prosperity“ sollte eine umfassende „Transformation der Welt“ bis zum Jahr 2030 starten.
Am Ende des ersten Drittels der Zeit ist die Bilanz ernüchternd. Ohne massive Anstrengungen werden die SDGs 2030 überwiegend verfehlt. Spätestens nach der Pandemie muss die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen in Österreich wie in der EU auf der politischen Agenda ganz nach oben rücken, um den Rückstand noch aufzuholen.
UN-Agenda 2030 mit dem großen Versprechen einer
besseren Welt
„Wir verpflichten uns, uns unermüdlich für die volle Umsetzung dieser Agenda bis im Jahr 2030 einzusetzen. … Wir bekennen uns dazu, die nachhaltige Entwicklung in ihren drei Dimensionen – der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen – in ausgewogener und integrierter Weise herbeizuführen.“
Große Worte der Staatengemeinschaft, denen überraschend wenig an Taten gefolgt ist. Ob globale, europäische, nationale oder regionale Ebene – die systematischen Umsetzungsversuche der Agenda 2030 blieben überschaubar. Dabei war einer der ersten Schritte überraschend konkret, nämlich die Festlegung auf 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung, die vielzitierten Sustainable Development Goals (SDGs).
Die SDGs tragen dem Umstand Rechnung, dass „Well-being“ bzw. ein gutes Leben der eigentliche Zweck des Wirtschaftens ist – und nicht etwa ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zwar gibt es erhebliche Überschneidungen, allerdings geht beim BIP unter, wie dieses zustande kommt (Arbeitswelt), wer in welchem Ausmaß davon profitiert und wie nachhaltig gewirtschaftet wird (ökologisch und sozial).
Einige Aspekte eines guten Lebens verlangen darüber hinaus besondere Aufmerksamkeit, weil sie nicht automatisch zu einem höheren materiellen Wohlstand führen. Das betrifft individuelle Faktoren, klassische öffentliche Güter (wie eine intakte Umwelt oder Sicherheit) sowie die Güter und Dienstleistungen der Ökonomie des Alltagslebens (also die Deckung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wohnen, Gesundheit, Bildung oder Mobilität).
Stärkerer Fokus auf Wohlstand und Wohlergehen durch
SDGs?
All diese Gesichtspunkte werden in der aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte nach wie vor zu wenig beachtet. Trotz zahlreicher Initiativen im letzten Jahrzehnt, die Wohlstand und Wohlergehen neu definierten und in den Mittelpunkt der (wirtschafts-)politischen Debatte rücken wollten, ist wesentlicher Fortschritt nach wie vor kaum festzustellen. Diesen charakterisieren Bache und Reardon wie folgt: „the idea of wellbeing is recognised as an important benchmark of progress, is internalised by key actors, is institutionalised in policy practices and leads to policy changes that have a significant effect on the lives of citizens“.
Wenngleich die Agenda 2030 und die SDGs in den ersten fünf Jahren ihrem
transformativen Anspruch noch nicht gerecht wurden, könnte sich das nun ändern.
So widmen sich Wissenschaft und Zivilgesellschaft verstärkt den SDGs, zumindest
formal auch die öffentliche Verwaltung. Nicht zuletzt der aktuelle AK-Wohlstandsbericht ist Ausdruck dieser
Entwicklung. Verbessert hat sich zudem die Datengrundlage auf globaler, europäischer und nationaler Ebene.
Politische Umsetzung mangelhaft
Wesentliche Lücke besteht in der Politik. Auf globaler Ebene fehlt es an Steuerungsmechanismen und auf nationaler Ebene am politischen Willen, abseits von Lippenbekenntnissen Verantwortung für die globale Zielerreichung zu übernehmen. So überrascht es nicht, dass im Ergebnis bereits vor der COVID-19-Pandemie die erste umfassendere UN-Zwischenbilanz nicht sehr positiv ausgefallen ist. Die Erreichung vieler Ziele erscheint unwahrscheinlich, und es gibt mehr Unterziele mit Rückschritt als solche, die auf Zielkurs sind.
Besser ist es um die Verfolgung der SDGs auf nationaler Ebene bestellt.
Aber auch hier dominiert der Schein. Das Engagement konzentriert sich auf das
Erstellen von Monitoringberichten, deren Schwerpunkt die SDG-kompatible
Darstellung eigener Erfolge ist. So hält die kritische SDGs-Zwischenbilanz des
Global Policy Forum pointiert fest, dass manche Präsentationen der
nationalen Fortschrittsberichte „eher den Charakter von Werbefilmen der
heimischen Tourismusbehörden“ haben, während Zielabweichungen und
Handlungsdefizite kaum zu finden sind. Dabei sind diese essenziell für
politische Maßnahmen zur Zielerreichung. Diese Lücke versuchen zwar NGOs mit
Schattenberichten zu füllen, doch bleibt deren Effekt bislang beschränkt.
Österreich ist hier nicht viel anders, wenngleich gewisse Fortschritte zu verzeichnen sind.
Neue Dynamik auf europäischer Ebene
Ein stärkeres Momentum entstand in den letzten eineinhalb Jahren auf europäischer Ebene. Angesichts der globalen Relevanz der EU ist diese Ebene auch unerlässlich für die „Transformation der Welt“, da sie eine Vorreiterrolle bei der Festlegung hoher sozialer und ökologischer Standards spielen kann.
Mit dem Amtsantritt der neuen Kommission fanden die SDGs bzw. die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen stärker Eingang in zentrale politische Dokumente. Zumindest im Anhang ist nun auch in der laufenden wirtschaftspolitischen Ausrichtung im Rahmen des Europäischen Semesters der Fortschritt bezüglich der SDGs enthalten. Im Frühjahr zeigte sich dabei folgende Zwischenbilanz:
Schreibt man den Trend der vergangenen fünf Jahre fort (methodische Details
im aktuellen Eurostat-Bericht),
wird 2030 nur bei einem („friedliche und inklusive Gesellschaft“) der 17 SDGs
wesentlicher Fortschritt festzustellen sein; bei allen anderen Zielen besteht
zum Teil noch erheblicher Handlungsbedarf.
Corona-Krise: kurzfristig Rückschlag, aber Öffner für
Möglichkeitsfenster?
Die COVID-19-Pandemie brachte eine dreifach negative Wirkung:
Die
bisher erzielten Fortschritte bei einzelnen SDGs werden zumindest zum Teil wieder zunichtegemacht (etwa bei
der Armutsbekämpfung oder guter Arbeit).
Die öffentlichen
Haushalte wurden massiv belastet – erheblicher Konsolidierungsdruck könnte
bei Reaktivierung der europäischen Budgetregeln
nach der Corona-Krise Fortschritte erschweren.
Gleichzeitig mit den negativen Auswirkungen kam mit der Pandemie allerdings
auch eine positive Entwicklung in Gang, die eine Beschleunigung der Transformationsbestrebungen im Sinne
der Agenda 2030 in der EU ermöglichte – insbesondere punkto
Klimaschutz. Hervorzuheben ist der Recovery Plan, mit dem kurzfristig
erheblich mehr Mittel für das neue Leitprojekt bis 2030 – den sogenannten Green Deal – zur Verfügung
stehen.
Positive Schritte ergänzen und verstetigen
Dieses Möglichkeitsfenster im Ausnahmemodus gilt es nun zu nutzen, ehe es
sich wieder schließt. Negativszenario wäre eine rasche Rückkehr zur alten
Normalität der wirtschaftspolitischen Steuerung, die insbesondere auf eine
strikte Budgetpolitik fokussiert. Damit würde sich die Entwicklung nach 2009
wiederholen, als auf dem vorläufigen Höhepunkt der Debatte über eine
sozial-ökologische Neuausrichtung die tatsächliche Agenda zunehmend von
Kürzungsvorgaben bestimmt wurde.
Für ein positives Szenario bedarf es daher einer raschen Wiederaufnahme des
Reformprozesses der europäischen wirtschaftspolitischen Steuerung. Eine solche
Reform muss ambitioniert sein und die Steuerung auf eine möglichst breite Basis
stellen, also unter Einbeziehung des Parlaments, der Sozialpartner und der
Zivilgesellschaft. Sie muss Debatten um „das Richtige“ innerhalb eines
grundsätzlich geteilten, evidenzbasierten Rahmens ermöglichen, in dem dann –
unter Berücksichtigung von Synergien und Zielkonflikten – je nach Interessen
und Überzeugungen um die konkreten Schwerpunkte gerungen werden kann. Ein
breites Set an Indikatoren – ähnlich dem SDGs-Datenset von Eurostat, mit Projektionen bis
2030 – soll die Entscheidungen stützen.
Abweichungen von den Zielen sollten nicht prinzipiell unter Strafe gestellt
werden, sondern zu einer neuerlichen vertieften öffentlichen Debatte führen.
Anstelle der verengten beratenden Expertengremien (wie Fiskalräten und
nationalen Produktivitätsausschüssen) sollten plurale und interdisziplinäre
Beiräte zukunftsgerichtete Analysen und Empfehlungen beisteuern, beispielsweise
ähnlich der Allianz für nachhaltige Entwicklung in
Italien.
Fazit: politischer Fokus auf SDGs gefragt
Die aktuelle Corona-Krise könnte ein neues Möglichkeitsfenster für eine
gesellschaftliche Fokussierung auf die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und
Wohlergehen sein. Wenngleich mit dem Green Deal und dem Recovery Plan bereits
Schritte in die richtige Richtung gesetzt wurden, so sind weitere Maßnahmen
notwendig, um die SDGs bis 2030 zumindest überwiegend zu erreichen. Es hat sich
gezeigt, dass gute deskriptive Monitoringberichte, eine engagierte
Zivilgesellschaft und Debatten in ExpertInnenkreisen zwar wichtig, aber nicht
hinreichend sind.
Zentral für die Erreichung der SDGs innerhalb der EU ist der angekündigte Reformprozess der europäischen
wirtschaftspolitischen Steuerung. Es braucht das Engagement von
Kommission, Rat und Parlament, die sich ernsthaft damit auseinandersetzen, was
ihr Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen ist bzw.
sein kann. Dabei darf der Horizont nicht an den Grenzen der EU enden, denn die
Agenda 2030 ist eine globale Herausforderung – zu der die EU allerdings im
besonderen Maße beitragen kann.
Anlässlich des dritten Jahrestages des Atomwaffenverbotsvertrages erklärt Katja Keul, Sprecherin für Abrüstungspolitik:
Die Bundesregierung darf nicht länger tatenlos zusehen, während seit Jahren wieder atomar aufgerüstet statt abgerüstet wird. Dabei sind die Atomwaffenstaaten durch den Nichtverbreitungsvertrag eigentlich jetzt schon verpflichtet, kontinuierlich abzurüsten. Der Unmut über dieses Versagen der Atommächte hat dazu geführt, dass die UN-Generalversammlung vor drei Jahren einen Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen hat. Während 122 Staaten sich geeinigt und dem Vertrag zugestimmt haben, hat sich Deutschland bis heute vollständig verweigert. Das ist unverantwortlich, denn die Gefahr einer nuklearen Katastrophe ist heute größer denn je. Es ist ein unerträglicher Zustand, dass inzwischen 9 Staaten insgesamt 13.400 atomare Sprengköpfe besitzen. Davon befinden sich jeweils 1500 sofort einsatzbereite Waffen in den USA beziehungsweise Russland. Brave Appelle des Außenministers, die ohne Konsequenzen bleiben, reichen da nicht aus.
Der INF-Vertrag ist gekündigt, New Start läuft Anfang nächsten Jahres aus und das Iran Abkommen liegt ebenfalls am Boden. Während die internationalen Verträge nach und nach fallen, hält die Bundesregierung an dem überholten Modell der „nuklearen Teilhabe“ fest. Deutschland gehört zu den wenigen NATO-Ländern, die Atomwaffen auf ihrem Territorium stationiert haben. Andere hatten nie welche oder sind aus der sogenannten nuklearen Teilhabe ausgestiegen. Mit der Ausmusterung der Tornados, die als Trägersysteme vorgesehen sind, hätte Deutschland die Chance, endlich auszusteigen. Statt uns erneut für Jahre der nuklearen Abschreckungsstrategie zu verschreiben, sollten wir den Zeitpunkt nutzen, die Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Laut einer aktuellen Umfrage von Greenpeace befürworten 92 Prozent der Bundesbürger, dass die die Bundesregierung den Verbotsvertrag unterzeichnet.
Es wäre weder ein deutscher Sonderweg noch eine Aufkündigung der NATO – es könnte aber der Auftakt sein für neue multilaterale Verhandlungen. Atomwaffen gewähren keine Sicherheit – sie selbst sind das größte Risiko für uns, für Europa und letztlich für den ganzen Globus.
Atomwaffenverbotsvertrag: Abrüstung und Entspannung statt Kalter Krieg 2.0
Der Atomwaffenverbotsvertrag hat mit dem Beitritt von Honduras 50 Ratifikationen erreicht. Nachdem der Vertrag im Juli 2017 von der UN-Generalversammlung mit den Stimmen von 122 Staaten verabschiedet wurde, tritt er nun ab dem 22. Januar 2021 in Kraft und ist von da an völkerrechtlich bindend. Er verbietet Staaten, Atomwaffen zu testen, zu entwickeln, zu produzieren, zu besitzen, sie weiterzugeben, zu lagern, einzusetzen oder mit ihnen zu drohen. Auch die Stationierung auf eigenem Boden ist verboten.
Das Verbot von Atomwaffen ist nicht nur ein Riesenerfolg für die internationale Friedensbewegung, sondern ein gigantischer Sprung nach vorne in den internationalen Abrüstungsbemühungen und ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in eine atomwaffenfreie Welt. 75 Jahre nach den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki ist der Verbotsvertrag Ausdruck der festen Überzeugung der internationalen Gemeinschaft, dass sich eine solche Tragödie niemals wiederholen darf.
Weltweit gibt es noch immer über 13.000 Atomwaffen, von denen fast 4.000 sofort einsatzbereit sind. Ihre Sprengkraft übersteigt die der Hiroshima-Bomben um ein Vielfaches. Diese hat vor 1945 innerhalb von vier Monaten 140.000 Menschen getötet und Unzählige zu langjährigen Leiden verurteilt.
Triumph der Diplomatie
In einer Zeit, in der das Völkerrecht an Bedeutung zu verlieren scheint und Großmächte immer aggressiver ihre Interessen umsetzen, ist der Atomwaffenverbotsvertrag auch ein Triumph der Diplomatie und des zivilisierten Umgangs in der internationalen Politik. Es ist kaum verwunderlich, dass die Atomwaffenstaaten, die der überkommenen Abschreckungs-Doktrin verhaftet sind, das Verbot ablehnen.
Ist der Verbotsvertrag deshalb ein zahnloser Tiger? Keineswegs. Sein Inkrafttreten wird weitreichende politische Konsequenzen haben: Der Verbotsvertrag schafft eine völkerrechtliche Norm, die die Abrüstungsdebatte bereits jetzt verändert hat. Er stigmatisiert Atomwaffen und wird den Druck auf die Atomwaffenstaaten und deren Alliierte erhöhen, sich für Abrüstung einzusetzen.
Das 1999 in Kraft getretene Verbot von Landminen zeigt, welche Macht eine solche Norm hat: Die Produktion und der Einsatz von Landminen haben sich seitdem massiv verringert. Selbst Staaten, die dem Verbot nicht beigetreten sind, halten sich überwiegend daran. Außerdem wird das Atomwaffenverbot konkrete finanzielle und technische Auswirkungen haben, in dem es die Finanzierung und den Transport von Atomwaffen erschwert.
Und die Bundesregierung?
Die Bundesregierung boykottierte in vorauseilendem Gehorsam die UN-Verhandlungen vor drei Jahren, an deren Ende 122 Staaten für den Verbotsvertrag stimmten. Damit macht sie sich zum willfährigen Erfüllungsgehilfen der US-Interessen. Die fadenscheinige Begründung für den Boykott: Ein Beitritt zum Verbotsvertrag sei mit der NATO-Mitgliedschaft nicht vereinbar – eine billige Ausrede, der kürzlich sogar ehemalige NATO-Generalsekretäre öffentlich widersprochen haben.
Mit dem Beharren auf die nukleare Teilhabe Deutschlands im Rahmen der NATO widersetzt sich die Bundesregierung nicht nur einem Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2010, der den Abzug der etwa 20 US-Atomwaffen aus Büchel fordert, sondern ignoriert auch dreist die klare gesellschaftliche Mehrheit in Deutschland: 83 Prozent der Bevölkerung sind laut einer Umfrage im Juli für einen vollständigen Abzug der US-Atomwaffen und ganze 92 Prozent wünschen sich einen Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag. In ganz Deutschland wächst der politische Druck: 16 Landeshauptstädte fordern die Bundesregierung inzwischen auf, dem Verbotsvertrag beizutreten, insgesamt unterstützen sogar über 100 deutsche Städte den Appell.
Wir dürfen nicht vergessen: Die Drohung mit Atomwaffen ist letztlich die Drohung mit Massenmord. Anstatt den Kalten Krieg wieder aufleben zu lassen und die atomare Vernichtung Europas zu proben, sollte Deutschland in dieser Frage nicht auf der falschen Seite der Geschichte stehen, sondern sich für internationale Abrüstung und Entspannungspolitik einsetzen.
DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. US-Atombomben raus aus Deutschland! Nein zur Anschaffung neuer Atombomber für die Bundeswehr!
Dazu hatte der Auswärtige Ausschuss eine Beschlussempfehlung (19/1734) vorgelegt.
In ihrem Antrag wirft die Linksfraktion der Bundesregierung vor, sich zwar außenpolitisch zu einer Welt ohne Atomwaffen zu bekennen, „jedoch während des gesamten Prozesses der Ausarbeitung des Vertrags keinerlei Anstrengungen“ unternommen zu haben, diesen zu unterstützen. „Sie hat die Vertragsverhandlungen boykottiert und in der entscheidenden Abstimmung in der UN-Vollversammlung dem Vertrag ihre Zustimmung verweigert“, kritisiert die Linksfraktion im Antrag.
Linke: Nukleare Teilhabe der Nato aufkündigen
Mit ihrer ablehnenden Haltung zum neuen Atomwaffenverbotsvertrag sende Deutschland ein „falsches Signal, schadet ihrer abrüstungspolitischen Glaubwürdigkeit und schwächt die Institution der Vereinten Nationen“, heißt es dort weiter.
Die Bundesregierung sollte daher aufgefordert werden, den Atomwaffenverbotsvertrag umgehend zu unterzeichnen. Außerdem sollte sie „unverzüglich die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an der nuklearen Teilhabe der Nato aufkündigen“ und Schritte zum Abzug der US-Atomwaffen vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland einleiten. (sas/ahe/hau/18.10.2018)
Amman (dpa) – Bundesaußenminister Heiko Maas hat eindringlich zu neuen Anstrengungen für atomare Abrüstung aufgerufen. «Wir leben in einer Zeit, die sich wieder in eine Aufrüstungsspirale entwickelt hat.
Und wenn wir weiterhin nur dasitzen und zugucken, wird das fatale Folgen haben», sagte er am Mittwoch im jordanischen Amman anlässlich einer Abrüstungskonferenz mit Vertretern aus 15 anderen Staaten.
Gleichzeitig bekannte sich Maas aber zur Beteiligung Deutschlands an der nuklearen Abschreckung der Nato und damit auch zum Verbleib der US-Atombomben in Deutschland. Als Mitglied der Nato habe Deutschland Sicherheitsgarantien für seine europäischen Nachbarn übernommen und sei Teil der sogenannten nuklearen Teilhabe. «Und (wir) wollen das auch bleiben», betonte der SPD-Politiker Maas. Die Partei- und Fraktionsspitzen der SPD befürworten dagegen einen Abzug der Atomwaffen.
Als «nukleare Teilhabe» wird das gemeinsame Abschreckungskonzept der Nato bezeichnet, an dem auch Länder beteiligt sind, die selbst keine Nuklearwaffen besitzen. In Deutschland lagern nach Expertenschätzungen noch etwa 20 Atombomben auf dem rheinland-pfälzischen Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel. Dort sind auch «Tornado»-Kampfjets der Bundeswehr stationiert, die die Bomben im Ernstfall abwerfen sollen.
Maas lehnte auch den Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen ab, der nach Ratifizierung durch inzwischen 51 Länder am 22. Januar in Kraft tritt. «Es nützt nichts, Verträge zu schließen, an denen diejenigen nicht beteiligt sind, die über die Atomwaffen verfügen, die man abrüsten will», sagte er zur Begründung.
Dem Vertrag hatten 2017 insgesamt 122 der 193 UN-Mitglieder zugestimmt. Darunter war aber keine der mutmaßlich neun Atommächte und auch kein Nato-Staat. Die Nato hält die bestehenden Verträge für eine wirksamere Grundlage für konkrete Abrüstungsschritte.
Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte die Zahl der Atomwaffen weltweit zwar zunächst drastisch abgenommen, inzwischen ist die nukleare Bedrohung aber wieder deutlich gewachsen. 2019 platzte der Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen zwischen den USA und Russland. Auch die Zukunft eines zweiten zentralen Abrüstungsvertrags zwischen beiden Ländern ist ungewiss: Am 5. Februar läuft das Abkommen über die Reduzierung strategischer Atomwaffen aus, eine Einigung über eine Verlängerung steht noch aus.
Zudem werden bestehende Atomwaffen-Arsenale modernisiert und es wächst die Gefahr, dass neue Atommächte entstehen. So steht das Abkommen zur Verhinderung iranischer Nuklearwaffen auf der Kippe, seitdem die USA unter Präsident Donald Trump ausgestiegen sind. Sollte Teheran nach der Atombombe greifen, könnte das einen nuklearen Rüstungswettlauf in der Region auslösen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken wurde 2019 die sogenannte Stockholm-Initiative gegründet. An dem Treffen in Amman nahmen neben Maas nur die Außenminister Jordaniens und Schwedens physisch teil. Vertreter der anderen 13 Länder wurden per Video zugeschaltet. Deutschland und Schweden haben als Ausrichter der ersten beiden Treffen eine besondere Rolle in der Gruppe. Weitere Mitglieder sind Argentinien, Äthiopien, Finnland, Kanada, Kasachstan, Indonesien, Japan, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen, die Schweiz, Spanien und Südkorea.
Für Maas war es die erste Reise in ein Land außerhalb Europas seit mehr als vier Monaten. Danach war er wegen der Corona-Pandemie nur noch wenige Male innerhalb Europas unterwegs. Bei seiner Ankunft in Amman betonte er die Notwendigkeit solcher Dienstreisen auch in Corona-Zeiten. «Das hier ist keine Privatreise, das ist keine touristische Reise, hier geht es um Abrüstung», sagte er. Es gebe Themen, die von so großer Bedeutung seien, dass man sich persönlich treffen müsse, «um in der Außenpolitik arbeitsfähig bleiben zu können».
Der Atomwaffenverbotsvertrag bringt die Bemühungen für eine nuklearwaffenfreie Welt in Schwung. Die Bundesregierung sollte sich als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz einbringen. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gabriela Heinrich, zum Atomwaffenverbotsvertrag:
„Eine Welt ohne Atomwaffen bleibt das Ziel sozialdemokratischer Politik. Dafür unterstützen wir dringend notwendige konkrete Fortschritte zur nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle gerade im Rahmen der Vereinten Nationen. Der von den Vereinten Nationen 2017 beschlossene Atomwaffenverbotsvertrag hat neuen Schwung bei den Bemühungen für eine nuklearwaffenfreie Welt gebracht. Nun haben 50 Länder den Verbotsvertrag ratifiziert und er tritt im Januar in Kraft. Es kommt jetzt darauf an, sich konstruktiv mit den Argumenten und Intentionen des Vertrages auseinanderzusetzen. Ich plädiere deswegen dafür, dass sich die Bundesregierung als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags einbringt.“
Corinna Hartmann ist Psychologin und arbeitet als Wissenschaftsjournalistin in Saarbrücken.
122 Menschen bekommen ab Frühjahr 2021 drei Jahre lang monatlich ein bedingungsloses Grundeinkommen. Eine begleitende Studie soll unter anderem klären, wie sich die Menschen beruflich verändern, wenn sie weniger Geldsorgen haben. Wie aussagekräftig ist ein solcher Feldversuch?
Den Sprung in die Selbstständigkeit wagen, die Welt bereisen oder mehr Zeit mit der Familie verbringen: Viele Menschen würden anders leben, wären sie nicht auf ihr Gehalt angewiesen. Laut repräsentativen Umfragen befürworten hier zu Lande etwa die Hälfte der Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Befürworter sind tendenziell jung, gebildet, politisch links – und sie verdienen eher mäßig.
Die Ergebnisse aus Kanada sind viel versprechend. Aber sind sie auf Deutschland übertragbar?
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