Alternative Streaming-Angebote: Schluss mit Mainstream

Quelle: https://taz.de/Alternative-Streamingangebote/!5760402/

11.4.2021

Alternative Streaming-Angebote: Schluss mit Mainstream

Wer zu Hause Filme streamen will, landet meist bei Netflix oder Amazon Prime. Dabei gibt es gute Alternativen mit spannenden Programmen.

BERLIN taz | Sie wollen zu Hause gute Filme gucken, aber nicht bei Netflix, Amazon und Co? Oder haben deren Angebot schon durchgeguckt? Dann schauen Sie sich doch mal auf diesen Streamingportalen um:

Sooner – Europäisches Festivalkino

Was ist das? Sooner ist eine Plattform für europäischen Film. Im Juli 2020 ist sie gestartet, als europäische Antwort auf Netflix.

Was gibt’s zu sehen? Über 2.000 Filme und einige Serien – hauptsächlich europäische Produktionen. Die Auswahl reicht von Publikumserfolgen der großen A-Festivals wie Cannes, Berlinale oder Sundance über Werkreihen einzelner Fil­me­ma­che­r:in­nen wie Essay-Filmer Harun Farocki bis zu Abschlussfilmen der deutschen Filmhochschulen. Darunter finden sich echte Perlen, wie der Filmgeschichtsklassiker „Fahrraddiebe“ (Vittorio de Sica, 1948) oder die vielschichtige Berlinale-Doku „Searching Eva“ (Pia Hellenthal, 2019). Anders als Netflix, das seinen Nut­ze­r:in­nen mit Hilfe von Algorithmen Filme vorschlägt, arbeitet Sooner mit eigens kuratierten Programmen. Eines beleuchtet beispielsweise das österreichische Kino – eine Zusammenarbeit mit der Tageszeitung Der Standard. Ein anderes Programm versammelt Märchenfilme des DDR-Filmstudios DEFA ab den 50er Jahren.

Was kostet es? Das Standard-Abo kostet 7,95 Eu­ro im Monat, Studierende zahlen 2,99 Euro. Allerdings bleiben bei dem Standard-Abo einige Filme hinter der Paywall verborgen. Um die zu sehen, benötigt man die Premiumversion für 14,95 Euro monatlich. Sooner gibt es unter www.sooner.de und als App.

Filmfriend – Das familienfreundliche Angebot

Was ist das? Filmfriend ist ein Angebot der öffentlichen Bibliotheken. Gestartet haben es die Berliner Büchereien, mittlerweile nehmen immer mehr Bibliotheken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil.

Was gibt’s zu sehen? Den privaten Anbietern steht Filmfriend in nichts nach. Die Website bietet Kino und Serien für Erwachsene und Kinder, mit einem ausgewogenen Programm. Es reicht von anspruchsvollem Autor*innenkino, wie dem Coming-of-Age-Film „Fish Tank“, bis zu leichteren Liebes- und Actionfilmen. Typisch für Filmfriend sind Indie-Filme, die einen Bildungsauftrag erfüllen und gleichzeitig unterhaltsam sind. Dazu gehören aktuellere Filme wie „Djam“ von Tony Gatlif, der von der politischen Lage in Griechenland und der Türkei anhand des traditionellen Musikstils Rembetiko erzählt. Aber auch ältere Produktionen wie eine Krimiserie in Schwarz-Weiß mit dem französischen Kommissar Maigret aus den 60er Jahren finden sich hier. In der Doku-Sparte werden gesellschaftskritische Themen behandelt, wie im Berlinale-Film „Generation Wealth“, der einen demaskierenden Blick in die Welt der Superreichen wirft. Ein Alleinstellungsmerkmal von Filmfriend ist die große Kinder- und Jugendfilmsektion, in der alte und neue Zeichentrick- und Spielfilme zu sehen sind.

Was kostet es? Wer einen Bibliotheksausweis besitzt, schaut kostenlos. Der Ausweis kostet etwa 10 Euro im Jahr. Filmfriend gibt es unter www.filmfriend.de und als App.

Shasha Movies – Kino aus Nahost und Nordafrika

Was ist das? Hinter Shasha Movies steckt das Habibi Collective, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kino aus Nordafrika, dem östlichen Mittelmeerraum und der arabischen Halbinsel zu zeigen. Gegründet hat es die Irin Roísin Tapponi. Als junge Filmliebhaberin fiel ihr auf, wie wenig Filme aus der sogenannten MENA-Region in europäischen Kinos laufen. Tapponi gründete das Habibi Collective, das Filme aus der Region listet und archiviert. Shasha Movies, das neue Projekt des Kollektivs, ist seit letztem Monat online.

Was gibt’s zu sehen? Shasha Movies zeigt eine wechselnde Auswahl an Filmen aus Vorderasien und Nordafrika. Die Plattform ist weltweit zugänglich, die Filme laufen in Originalsprache mit englischen Untertiteln. Die Ma­che­r*in­nen wollen so einerseits Filme aus der MENA-Region in der westlichen Welt bekannter machen und andererseits den Fil­me­ma­che­r*in­nen die Möglichkeit geben, ihre Filme an der Zensur vorbei in ihren Heimatländern zu zeigen. Jeden Monat wechselt das Programm. Aktuell liegt der Fokus auf Jemen­. Zu sehen sind vorrangig Dokus, in denen die Krisen Jemens der letzten Jahre eine Rolle spielen. In manchen Filmen werden sie konkret thematisiert, in anderen sind sie bloß als zerbombte Kulisse im Hintergrund spürbar. Für „The Mulberry House“ (2013) kehrte die Filmemacherin Sara Ishaq nach Jemen zurück und wurde Zeugin der ausbrechenden Revolution.

Was kostet es? Umgerechnet knapp 12 Euro im Monat, abrufbar unter www.shashamovies.­com.

Mubi – Zeitgenössischer Arthouse-Film

Was ist das? Mubi ist der alte Hase unter den Art-House-Streamern. Die Plattform startete in Deutschland bereits 2012, zwei Jahre vor Netflix also. Ursprünglich war Mubi eine alternative Filmdatenbank und ein soziales Netzwerk, wo Lieb­ha­be­r:in­nen Filme bewerten und sich austauschen konnten. Das Streaming kam erst später dazu. Hinter Mubi steht Efe Çakarel, ein türkischer Filmliebhaber und Unternehmer, der nach seinem Studium an einer amerikanischen Elite-Uni zunächst als Investmentbanker arbeitete. Mittlerweile ist Mubi eine feste Größe in der Filmwelt und vertreibt und ko-finanziert selber Filme, die dann exklusiv auf der Plattform zu sehen sind.

Was gibt es zu sehen? Zu Beginn umfasste die Auswahl 30 Filme, die für jeweils 30 Tage online waren. So verschwand jeden Tag ein Film und ein neuer kam hinzu. Im letzten Jahr wurde das Angebot erweitert. Zusätzlich zu der 30-Tage-Rotation gibt es jetzt auch weitere Rubriken wie „Mubi 1000“, in der die Filme gezeigt werden, die von der Community am besten bewerteten werden. Zurzeit gibt es die sehr sehenswerte Retrospektive „Voilà Varda“, die das Werk der kürzlich verstorbenen feministischen Filmemacherin Agnès Varda zeigt. Mubi’s Filmauswahl ist international und intellektuell. Sie zeigt den Status quo des zeitgenössischen Kinos außerhalb der kommerziellen Blockbuster – ohne den anspruchsvollen Film aus Hollywood zu vernachlässigen.

Was kostet es? Die Mitgliedschaft kostet 9,99 Eu­ro pro Monat, für Studierende 5,99 Euro. Mubi gibt es unter www.mubi.com und als App.

Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr

Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr sind seit langem umstritten. Am 11. Mai 2020 startete das Verteidigungsministerum eine Anhörung zu dem Thema. Ministerin Kramp-Karrenbauer hatte sich im Dezember 2019 in Afghanistan dafür ausgesprochen.

 Der damalige Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber hatte Experten, Vertreter der Zivilgesellschaft und Mitglieder aller Bundestagsfraktionen zu einer Diskussion geladen. Dabei ging es um ethische und rechtliche Dimensionen bewaffneter Drohnen.

Der Hamburger Moraltheologe Bernhard Koch äußerte sich dabei zurückhaltend. „Es erschließt sich noch nicht, dass bewaffnete Drohnen tatsächlich den Schutz der Soldaten erhöhen“, sagte der Vize-Direktor des Instituts für Theologie und Frieden (ITHF). „Bewaffnen bedeutet zunächst: bekämpfen können. Das ist ein sehr ausgedehnter Schutzbegriff.“

Man dürfe den Soldaten nicht den Schutz versagen, sagte Koch. Aber Schutz gebe es nie genug. „Wenn man den Schutz der Soldaten erhöht, hat das Effekte an anderer Stelle, etwa beim Schutz der Zivilbevölkerung im Einsatzland.“ Die Frage sei, wieviel Berufsrisiko Soldaten in Kauf nehmen müssten.

Es sei kein Argument, dass auch andere Länder bewaffnete Drohnen besäßen, erklärte Koch weiter. Zu befürchten sei, dass immer weitere Aufrüstung dazu führen könne, „dass bei technisch unterlegenen Gegnern der Wille zur Selbstaufgabe im Kampfeinsatz und damit die Radikalität steigt“. Stattdessen sollte man sich um ein Abkommen zur Eindämmung dieser Waffensysteme bemühen.


Völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Bewertung einer möglichen Bewaffnung ferngeführter, unbemannter Luftfahrzeuge der Bundeswehr – Expertenanhörung im Verteidigungsausschuss am 5. Oktober 2020


Bundestagsdebatte zu Kampfdrohnen für die Bundeswehr am 17.12.204.322 Aufrufe  17.12.2020

Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wollen eine Ausrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen verhindern. Einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion (19/22369) hat der Bundestag am Donnerstag, 17. Dezember 2020, mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP gegen die Stimmen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschusses (19/25321) zugrunde. Ein von den Grünen vorgelegter Antrag (19/25293) wurde zur federführenden Beratung in den Verteidigungsausschuss überwiesen.

Position der einzelnen Parteien bzw. Bundestagsfraktionen

AfD-Bundestagsfraktion: Antrag vom 25.9.2019 Ja zur Beschaffung von bewaffneten Drohnen

FDP-Bundestagsfraktion Antrag vom  4.12.2019 Ja zur Anschaffung bewaffneter Drohnen

Bündnis 90_Die Grünen Bundestagsfraktion Antrag vom 15.12.2020 – Keine Beschaffung bewaffneter Drohnen

LINKE-Bundestagsfraktion  Antrag vom 17.12.2019 – keine Anschaffung, sondern  Ächtung bewaffneter Drohnen


Quelle: Telepolis

Bundestag soll Beschaffung von EU-Kampfdrohnen beschließen (Dezember 2020 Matthias Monroy)

Die Bundesregierung will 21 bewaffnungsfähige „Eurodrohnen“ bestellen, sie sollen ab 2028 in Schleswig-Holstein stationiert werden. Die Bewaffnung einer „Überbrückungslösung“ lehnte die SPD erst kürzlich ab. Anfang des Jahres 2021 will die Bundesregierung mit drei weiteren Regierungen den Vertrag zur Entwicklung einer „Eurodrohne“ unterzeichnen. Dies hatte das Verteidigungsministerium bereits im November 2020 angekündigt. Eine Airbus-Sprecherin hatte die Angaben auf einer Pressekonferenz bestätigt. Der Rüstungskonzern will die Endfertigung an seinem Standort im bayerischen Manching übernehmen, an dem Projekt sind außerdem die Firmen Dassault Aviation aus Frankreich und Leonardo aus Italien beteiligt. Als vierte Nation ist Spanien dem Projekt „Eurodrohne“ beigetreten.

25 Millionen-Vorlage für den Haushaltsausschuss

Zuständig für die jetzt anvisierte Entwicklungsphase ist die Gemeinsame Organisation für das Management großer Rüstungsvorhaben (OCCAR), die einige EU-Staaten mit Sitz in Bonn gegründet haben. Im Juni 2020 hatten die beteiligten Rüstungskonzerne ein Angebot zur Fertigung der „Eurodrohne“ vorgelegt. Im November 2020 hatte die OCCAR hierzu die Zustimmung der am Programm teilnehmenden Staaten mitgeteilt. Demnach seien die „notwendigen Vertragsbedingungen, Preise und Leistungen erfüllt“.

Jetzt wollen Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien den üblichen nationalen Beschaffungsprozess einleiten. In Deutschland muss darüber der Bundestag entscheiden, wozu der Haushaltsausschuss über eine sogenannte 25 Millionen-Vorlage beschließen muss. Diese wird vom Verteidigungsministerium erstellt und zunächst an das Finanzministerium weitergeleitet. Die vollumfänglichen Kosten für die deutschen Drohnen sind noch nicht bekannt, für 2021 hat das Verteidigungsministerium hierfür 232 Millionen Euro veranschlagt. Nach der formalen Vertragsunterzeichnung sollen zunächst 60 „Eurodrohnen“ für jene Staaten produziert werden, die das Programm begonnen haben. Das deutsche Verteidigungsministerium hat 21 Luftfahrzeuge bestellt. 15 weitere „Eurodrohnen“ sind für Italien vorgesehen, jeweils 12 werden an Spanien und Frankreich ausgeliefert.

In einer Definitionsstudie hatten die Staaten zunächst ihre Anforderungen an die „Eurodrohne“ festgelegt. Mit einem maximalen Startgewicht von etwa elf Tonnen soll sie 2,3 Tonnen Nutzlast transportieren können. Das Luftfahrzeug ist 16 Meter lang, die Flügelspannweite beträgt 26 Meter. Damit gehört die „Eurodrohne“ zu den größten unbemannten Luftfahrzeugen, die weltweit gebaut werden. Der Antrieb erfolgt mit zwei Propeller-Triebwerken, deren Hersteller aber noch unbekannt ist. Im Gespräch ist auch ein Bieter aus den USA.

Die „Eurodrohne“ soll bewaffnet werden können, als Munition nennt das Verteidigungsministerium Lenkraketen und -bomben aus Großbritannien oder den USA. In ihrer unbewaffneten Version kann sie entweder Abhörtechnik transportieren, wie sie ursprünglich im Projekt „Euro Hawk“ anvisiert war. Möglich ist auch die Ausrüstung mit optischen und radarbasierten Sensoren zur Beobachtung von Aktivitäten am Boden. Die „Eurodrohne“ verfügt über eine sogenannte „Remote-Split-Fähigkeit“ und kann auf diese Weise mithilfe einer Relaisstation von weit entfernten Bodenstationen gesteuert werden.

Für eine bewaffnete „europäische Drohne“ hatte sich ab 2012 hat der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) stark gemacht (Wir.Drohnen.Deutschland). 2013 warb Airbus unter dem Namen FEMALE („Future European MALE“) für das Projekt. Rückendeckung erhielten die schon damals als Hauptauftragnehmer feststehenden drei Rüstungskonzerne auch von Ursula von der Leyen (CDU), die das Amt der Verteidigungsministerin Ende 2013 übernahm. Im Sommer 2014 bekräftigte die Ministerin ihre „Überzeugung, dass wir in die Entwicklung einer europäischen bewaffnungsfähigen Drohne einsteigen müssen“.

Airbus plant den Erstflug der Drohne für 2025, die ersten Auslieferungen könnten dann im Jahr 2028 erfolgen. Die Bundeswehr will ihre „Eurodrohnen“ auf dem Luftwaffenstützpunkt Jagel in Schleswig-Holstein stationieren. Weitere Regierungen könnten zu dem Programm hinzustoßen. Nachdem die Europäische Kommission mit ihrer neuen Präsidentin von der Leyen über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit eine „Anschubfinanzierung“ von 100 Millionen Euro für die Entwicklung bereitstellte, hat auch die Tschechische Republik Interesse an der „Eurodrohne“ signalisiert. Als „Beobachter“ gelten die Länder Portugal, Belgien, Finnland, Ungarn, Niederlande und Polen.

SPD auf dem Schleudersitz

Bis zur Auslieferung der „Eurodrohne“ fliegt die Bundeswehr eine unbewaffnete „Überbrückungslösung“ aus Israel. Das ebenfalls aus Israel stammende Nachfolgemodell soll nach dem Willen des Verteidigungsministeriums bewaffnet werden. Auf Bitten des ehemaligen verteidigungspolitischen Sprechers der SPD, Fritz Felgentreu und mit Billigung des Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich ließ die Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im November 2020 eine Beschlussvorlage für den Haushaltsausschuss erstellen.

Daraufhin hatten sich die SPD-Basis und Abgeordnete aus verschiedenen Parlamenten mit einem offenen Brief, einer Resolution sowie Abstimmungen auf den Landesparteitagen in Baden-Württemberg und Berlin gegen die Pläne positioniert.

Die kritischen Stimmen wurden dabei von zwei früheren Angehörigen des US-Drohnenprogramms unterstützt, die einen Brief an die sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten verfasst hatten. Zuletzt meldete sich der SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans zu Wort, der die bisherige Debatte über Kampfdrohnen „nicht für ausreichend“ hält.

Der Bundesfinanzminister hat daraufhin entschieden, die Vorlage zur Bewaffnung der „Überbrückungslösung“ vorerst nicht an den Bundestag weiterzuleiten. (Matthias Monroy)


Quelle: Website Augen geradeaus!

DroneWatch: Streit um bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr – Der Sammler zum Jahresende

 

Der Streit innerhalb der Regierungskoalition um die Bewaffnung für Drohnen der Bundeswehr ist in diesem Jahr in zuvor so nicht erwarteter Schärfe neu ausgebrochen – und er wird mit ziemlicher Sicherheit auch im neuen Jahr weitergehen. Die überraschende Weigerung der SPD, eine Beschaffungsentscheidung nicht mitzutragen und nach mehrjähriger Debatte weitere Diskussionen zu verlangen, ist ja voraussichtlich bis zur Bundestagswahl im September nicht vom Tisch. Deshalb zum Jahresende eine Materialsammlung zu diesem Thema:

Aktueller Anlass (außer dem Jahresende): In einem Interview mit n-tv am (heutigen) 30. Dezember reagiert Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf eine Forderung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zum Thema bewaffnete Drohnen – und dieser Austausch per Fernschach, über jeweilige Interviewäußerungen, macht sehr schön deutlich, wie die beiden Koalitionspartner aneinander vorbeireden.

In einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, veröffentlicht am 28. Dezember (Link aus bekannten Gründen nicht), antwortet der SPD-Fraktionschef auf die Frage Sie wollen einen Rüstungskontrollvertrag für Drohnen? mit den Worten:

Ich will zumindest internationale Gespräche darüber, ob Rüstungskontrolle für Drohnen auf Ebene der Vereinten Nationen oder der Nato-Staaten möglich ist. Leider hat die Verteidigungsministerin es versäumt, das Thema in der Nato anzusprechen. Ich fordere sie auf, das jetzt zu tun.

Dazu die Ministerin im n-tv-Interview:

Die Bundesregierung bereitet eine Initiative für internationale Einsatzprinzipien auf der Grundlage des Völkerrechts für bewaffnete Drohnen vor. Das Auswärtige Amt ist federführend und arbeitet bereits daran. Wir haben das schon im Juli mit dem Bericht zur Debatte und den Einsatzgrundsätzen festgelegt. Insofern fordert der SPD-Fraktionsvorsitzende etwas, was schon in Vorbereitung ist.

Und in der Tat, das ist in der öffentlichen Debatte schlicht untergegangen – selbst die Kritiker bewaffneter Drohnen haben offensichtlich den Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung an den Deutschen Bundestag zur Debatte über eine mögliche Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehrvom 3. Juli dieses Jahres nicht gelesen:

Darüber hinaus strebt die Bundesregierung auch im internationalen Rahmen verbindliche Regeln für den Einsatz bewaffneter Drohnen an. Hierzu bereitet die Bundesregierung eine Initiative für internationale Einsatzprinzipien vor. Ausgehend von den völkerrechtlichen Bestimmungen wird ein Katalog von Einsatzprinzipien, wie z.B. die Begrenzung auf legitime Ziele, die Festlegung zulässiger Einsatzgebiete und die Sicherstellung ausreichender menschlicher Kontrolle abgeleitet, die durch die Unterzeichnerstaaten als für die nationale Einsatzpraxis verbindlich anerkannt werden.

Dass Kramp-Karrenbauer ein wenig süffisant darauf verweisen kann, dass diese Bemühungen für Rüstungskontrolle bereits Beschlusslage sind und dass der dafür zuständige Minister der SPD angehört, ist allerdings vermutlich ebenso richtig wie folgenlos für den Schlagabtausch der beiden Noch-Koalitionspartner. Und auch die Ministerin, noch CDU-Vorsitzende, hatte ja zuvor schon die Wahlkampfkeule rausgeholt, im Interview mit der Welt am Sonntag, ebenfalls am 28. Dezember:

Die SPD macht zum zweiten Mal einen Rückzieher bei der Anschaffung von bewaffneten Drohnen zum Schutz der Bundeswehr im Einsatz. Die Soldatinnen und Soldaten können sich augenscheinlich nicht auf die SPD verlassen.

Das Narrativ von den Sozialdemokraten als vaterlandslose Gesellen ist nicht neu, und natürlich weiß auch die Ministerin, dass der Aufwuchs des Verteidigungshaushaltes in den vergangenen Jahren und die – mit Ausnahme eben der Drohnenbewaffnung – weitgehend problemlose Zustimmung des Bundestages zu den diversen Rüstungsprojekten der jüngsten Zeit ohne die SPD nicht möglich gewesen wäre.

Nun scheinen aber beide Seiten bereits im Wahlkampfmodus für die Bundestagswahl im kommenden Jahr, und es ist müßig, darüber zu streiten, wer daran die Schuld trägt. Für die Bewaffnung unbemannter Systeme dürfte entscheidend das Wort des SPD-Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans gelten, zuletzt im Interview mit der Rheinischen Post (Link aus bekannten Gründen nicht) am 28. Dezember:

Ich gehe davon aus, dass über diese Frage in dieser Legislaturperiode nicht mehr entschieden wird. (…) Es gibt auch Stimmen, die sagen, die ständige Bedrohung durch bewaffnete Drohnen heize Konfliktparteien erst auf und mache Situationen erst recht gefährlich. Ich bin für Ausrüstung und nicht für Aufrüstung.

Im vorangegangenen Thread zu diesem Thema hat ein Leser (vielen Dank!) eine umfangreiche Linkliste zur gesellschaftlichen Debatte über dieses Thema zusammengetragen.

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-morgenecho-interview/audio-bewaffnete-drohnen-fuer-die-bundeswehr-100.html
https://www.evangelische-friedensarbeit.de/artikel/2020/offener-brief-bremer-pastoren-gegen-bewaffnete-bundeswehr-drohnen
https://www.ekd.de/news_2014_07_02_kampfdrohnen_abgelehnt.htm
https://www.welt-sichten.org/artikel/37976/kampfdrohne-ein-beitrag-zur-eskalation
https://www.evangelische-friedensarbeit.de/artikel/2020/westfaelische-kirche-bundeswehr-soll-auf-kampfdrohnen-verzichten
https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++313cf3f8-3e16-11eb-aa07-001a4a16012a
https://koeln-bonn.dgb.de/themen/++co++1720f318-5811-11e8-a19d-52540088cada
https://www.gew-berlin.de/aktuelles-beschluesse/detailseite-beschluesse/neuigkeiten/keine-kampfdrohnen/
https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/militaerische-drohnen-einschraenken-bewaffnete-drohnen-aechten-2/
https://www.spd-bonn.de/meldungen/internationale-aechtung-von-bewaffneten-drohnen/
https://www.spd-rz.de/2020/12/22/gefaehrdung-von-soldatinnen-und-soldaten-durch-bewaffnete-drohnen-wird-verkannt/
https://spd-nottuln.de/keine-bewaffneten-drohnen-mail-an-den-fraktionsvorsitzenden-im-bundestag/

Das sieht schon sehr nach breiter Debatte aus, auf verschiedenen Ebenen. Was einen fast zu der Vermutung verleiten könnte, dass es nicht mehr um die Debatte geht – sondern um die Hoheit darüber, wann die Entscheidung fällt.

Aber noch genug Debatte im neuen Jahr. Allerdings auf, ich muss das mal so sagen, deutschem Insel-Niveau: Wesentliches Argument der Befürworter ist der Schutz deutscher Soldaten insbesondere in Auslandsmissionen. Wesentliches Argument der Gegner ist die Art, wie vor allem die USA unbemannte Systeme einsetzen – dann auch mit der Begründung, diese Art des Einsatzes gefährde eben die Soldaten.

Das mag zwar ehrenwert sein, aber inzwischen weitab der Realität. Ein Blick auf die Konflikte dieses Jahres reicht, um zu erkennen: Da muss über ganz andere Entwicklungen gesprochen werden. Zum Beispiel über den Einsatz von (Kampf)Drohnen in einem Krieg. Nicht über fünf bewaffnete unbemannte Segelflieger n Stabilisierungsmissionen.


Quelle: Website Augen geradeaus!

Dokumentation: Die Drohnen-Kommission der SPD (m. Nachtrag)

Nach der überraschenden Entscheidung der Sozialdemokraten im vergangenen Jahr, der Beschaffung von Bewaffnung für die Drohnen der Bundeswehr vorerst nicht zuzustimmen, soll sich eine Kommission der Partei mit der weiteren Debatte über unbemannte bewaffnete Systeme befassen. Entgegen ersten Meldungen werden diesem Gremium auch ehemalige und aktive Soldaten angehören.

Die Einsetzung dieser Kommission hatte der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, am vergangenen Wochenende bei den Petersberger Gesprächen angekündigt. Öffentlich gemacht hat die SPD die Zusammensetzung bislang nicht. Nach Informationen von Augen geradeaus! wird das Gremium von der früheren Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin geleitet, weitere Mitglieder sind (in alphabetischer Reihenfolge):

  • MdB Gabriela Heinrich, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion
  • Florian Kling, Oberbürgermeister von Calw, Hauptmann der Reserve, ehemaliger Vorsitzender des Darmstädter Signals
  • MdB Daniela Kolbe, ehemalige Vorstieznde der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz
  • MdB Siemtje Möller, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion
  • der Politikwissenschaftler Max Mutschler vom Bonn International Center for Conversion (BICC)
  • MdB Nina Scheer, Mitglied der SPD-Grundwertekommission
  • MdB Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der Fraktion
  • Gesine Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission
  • Hauptmann Andreas Steinmetz, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes und Luftwaffenoffizier
  • MdB Gabi Weber, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion
  • Andreas Wittkowsky, Projektleiter Frieden und Sicherheit beim Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF)
  • der Völkerrechtler Andreas Zimmermann, Professor an der Universität Potsdam

Der Co-Parteivorsitzende Walter-Borjans hatte im Dezember 2020 kurz vor der erwarteten Entscheidung im Bundestags-Haushaltsausschuss über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr das Verfahren gestoppt. Als Grund hatte er die aus Sicht der Sozialdemokraten nicht ausreichend geführte ethische und gesellschaftliche Debatte über diese Systeme genannt.

Bislang hat die Partei keine Einzelheiten zum genaueren Aufgabenkatalog und zum Zeitplan der Kommission veröffentlicht.

Nachtrag: Am Rande der Petersberger Gespräche hatte Walter-Borjans via Twitter angekündigt, dass seine Aussagen bei dieser Konferenz schriftlich nachgeliefert würden – das ist wohl inzwischen passiert, wenn auch auf der Partei-Webseite bislang (Stand 16. März abends) weder diese Aussagen noch der Beschluss und die Zusammensetzung der Kommission veröffentlicht wurden. Deshalb hier, ebenfalls zur Dokumentation, die Aussagen des Co-Parteivorsitzenden zum Thema Drohnen aus der internen schriftlichen Zusammenfassung seiner Rede:

• Die Bundeswehr muss sich aber auch darauf verlassen können, dass die Politik sicherheits- und verteidigungspolitische Entwicklungen verantwortungsvoll diskutiert und begleitet. Viel schlimmer fände ich es, wenn solche Debatten gar nicht geführt würden, als ob die Welt stillstünde. Das tut sie nicht.

• Daher scheuen wir auch keine Debatten. Wo wäre Deutschland und Europa, wenn Willy Brandt nicht den Mut zu einer neuen Ostpolitik gehabt hätte? Wo wären wir, wenn Helmut Schmidt zusammen mit Giscard d’Estaing die weltwirtschaftlichen Verwerfungen und die Auswüchse des globalen Kapitalismus nicht mit mehr Europa begegnet hätten? Wo wären wir, wenn Gerd Schröder nicht „Nein“ zum Irakkrieg gesagt hätte?

• Damals wie heute kommt die Kritik an solche Debatten immer aus der gleichen Ecke. Wenig überraschend. Mein Appell wäre daher mehr Gelassenheit aller und die Bereitschaft, Bestehendes zu hinterfragen und Debatten gewissenhaft zu führen. Das gilt auch bei der Frage nach der Bewaffnung von Drohnen.

• Bewaffnung von Drohnen

• Die Bewaffnung von Drohnen ist eine neue Entwicklungsstufe von Waffensystemen für die Bundeswehr. Eine Entscheidung bedarf einer sorgfältigen gesellschaftlichen wie auch politischen Debatte. Das haben die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD so auch im Koalitionsvertrag beschlossen.

• Der massive Einsatz von bewaffneten Drohnen als Angriffswaffen im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien und im Libyen-Konflikt wirft zudem neue Fragen auf, die in einer umfassenden Debatte zu berücksichtigen sind. Ich werbe sehr dafür, die Vertreter einer Bewaffnung mit enger parlamentarischer Kontrolle genauso zu respektieren wie die Bedenken, Sorgen und Ängste vieler Menschen im Land. Es geht hier nicht um Expertise und Pragmatismus versus Naivität und Ideologie, sondern um ein ernsthaftes Bemühen aller.

• Die SPD nimmt ihre sicherheits- wie auch friedenspolitische Verantwortung ernst und wird ihren Beitrag zur umfänglichen und sorgfältigen Diskussion leisten. Der SPD-Parteivorstand wird am kommenden Montag (15.03.) eine Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen einsetzen.

• Die Projektgruppe hat den Auftrag, die Frage einer möglichen Bewaffnung von Drohnen unter der sorgfältigen Würdigung außen-, verteidigungs-, rüstungskontroll- und friedenspolitischer sowie völker- und verfassungsrechtlicher sowie ethischer Aspekte zu erörtern. Die Sicht von Soldatinnen und Soldaten wie auch die Bedeutung Künstlicher Intelligenz für neue Waffensysteme sind wichtiger Bestandteil der Diskussion. Dabei freue ich mich besonders, dass Hauptmann Steinmetz die Argumente der Soldatinnen und Soldaten einbringen wird.

• Die Projektgruppe soll bis Spätsommer/Herbst Abschlussbericht vorlegen. SPD wird noch in diesem Jahr entscheiden.

Weitere Infos:

Der Mythos von Kampfdrohnen als Schutz für Soldaten

14. Außenpolitische Jahrestagung der Heinrich-Böll-Stiftung 2013: Herausforderungen für Frieden und Sicherheit in Zeiten von Drohnen, Robotern und digitaler Kriegführung

IPPNW Drohnenreport 2019

i

Krieg im Jemen – Initiative: Stop War in Jemen

„Querdenken“ in Stuttgart – Des Wahnsinns fette Beute

Quelle: Kontext –  Ausgabe 523 – Datum: 07.04.2021 – Von Minh Schredle

Debatte

„Querdenken“ in Stuttgart – Des Wahnsinns fette Beute

Polizisten scherzen munter mit Rechtsradikalen, 15.000 Hygieneverweigerer dürfen ungestört gruppenkuscheln und der Ordnungsbürgermeister findet, die Stadt habe das Beste aus der Situation gemacht. In welcher Welt leben die eigentlich?

„Querdenken“-Initiator Michael Ballweg beim Handschlag mit dem Ex-AfDler Heinrich Fiechtner (rechtsaußen), dessen Maske in Farbwahl und Form stark an ein bekanntes Nazi-Symbol erinnert, bloß mit einem Coronavirus statt Hakenkreuz. Foto: Martin Storz

Achtung, Achtung, Samstagabend, Stuttgarter Schlossplatz: Die Polizei kontrolliert ein paar kleine Personengrüppchen. Ein Trio von Jugendlichen, die aus mehr als zwei Haushalten zusammengekommen sind, reagiert etwas ungehalten: Ob die Beamten das denn ernst meinen, wollen sie wissen. Nachdem den Tag über um die 15.000 „Querdenken“-Fans durch die Stadt getollt sind, ohne sich einen Dreck um Hygiene und Infektionsschutz zu scheren. Keine Sorge, versichert ein Ordnungshüter, die Verstöße würden im Nachhinein geahndet.

„FLUTET DIE STADTMITTE ÜBERALL“, „WIR werden ALLE DA SEIN“ und zwar „VÖLLIG EGAL, ob die Stadt die Demos in STUTTGART genehmigen oder nicht!“ So steht es vor dem Auflauf am 3. April in einer Chat-Gruppe von „Querdenken Ludwigsburg“, die hier exemplarisch für die bundesweite Mobilisierung stehen soll. Aus unzähligen Wortbeiträgen, die vollmundig ankündigten, dass sich mutige Widerstandskämpfer keinen Maulkorb – sprich: einen Mund-Nase-Schutz – aufzwingen lassen würden, ist unschwer zu folgern, dass sich die Bereitschaft zum Maskentragen in Grenzen halten wird.

Auch die „Stuttgarter Zeitung“ hat „viele Stimmen“ registriert, „die vorher gewarnt haben, dass die Maßnahmen mutmaßlich nicht eingehalten würden“. Und was sagt der neue Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) dazu? „Ja, ohne konkrete Anhaltspunkte erst ganz kurz vor der Versammlung.“ Zudem habe sich „Querdenken“-Initiator und Demo-Anmelder Michael Ballweg in der Vergangenheit „weitgehend an die Auflagen gehalten“. Spätestens hier ist nun der Punkt erreicht, an dem man sich fragen muss: Leben wir eigentlich in der gleichen Wirklichkeit?

Verstöße haben Tradition

Ein kleiner Rückblick: Nicht nur wären da jüngste Ereignisse wie die in Kassel, bei denen die „Querdenken“-Bewegung zum wiederholten Male versammlungsrechtliche Auflagen ignoriert hat. Auch in Stuttgart hat die Missachtung von Maskenpflicht und Mindestabständen Tradition. Eine Art Dammbruch hat es bereits vor einem Jahr, im April 2020, gegeben – als sich mitten im ersten Lockdown rund 500 Demonstrierende der erst wenige Wochen alten Bewegung mit Sprüchen wie „Damals der Judenstern, heute die Gesichtsmaske“ versammelten, sich umarmten, liebkosten, um den Hals fielen.

„Meine Kinder müssen seit über 5 Wochen zuhause bleiben, sie dürfen ihre Freund*innen nicht sehen, nicht auf den Spielplatz gehen, ihre Großeltern nicht besuchen und zu allen anderen Menschen viel Abstand halten“, kommentierte der linke Stadtrat Luigi Pantisano das kontaktfreudige Geschehen auf dem Schlossplatz. „Wir Eltern mühen uns alle ab, sie durch diese Zeit so gut es geht zu begleiten. Wie soll ich ihnen nun dieses Bild erklären?“

Rechtsradikale Kontinuität – Kumpanei mit der Polizei

Schon damals waren für halbwegs aufmerksame BeobachterInnen die rechtsradikalen Einflüsse der „Querdenken“-Bewegung ersichtlich. Denn neben stadtbekannten Faschisten und rechten Verschwörungsideologen wie Michael Stecher und Oliver Hilburger waren auf dem Schlossplatz diverse Figuren aus dem Dunstkreis der AfD präsent, etwa der radikalisierte Ex-Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner, gegen den die Berliner Polizei erst kürzlich, nach einem angedeuteten Hitlergruß, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat.

Damit zurück in die Gegenwart: Gerade weil die „Querdenker“ inzwischen auch vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet werden, ist der laxe Umgang der Staatsgewalt mit ihnen so merkwürdig. Wann hat es das zuletzt gegeben, dass eine offiziell als demokratiefeindlich eingestufte Organisation derart unbehelligt mit staatlichen Auflagen brechen durfte? Zumal unzweifelhaft dokumentiert ist, dass sich neben Hooligan-Gruppen auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung und die Jungen Nationalisten der NPD am Protest beteiligten.

„Heimatschutz statt Mundschutz“: Dieses Banner stammt von der Identitären Bewegung. Darunter: Gruppenkuscheln und Coronäse auf dem Wasen.

Doch nicht nur zeigte sich die Stuttgarter Polizei am vergangenen Samstag sehr kulant bei Verstößen gegen den Infektionsschutz. Teils entstand sogar der Eindruck einer über wohlwollende Sympathie hinausgehenden Kumpelhaftigkeit zwischen Rechtsbrechern und Ordnungshütern. Etwa wenn besagter Heinrich Fiechtner mit einer stilisierten Hakenkreuzbinde als Maske unter dem Kinn mit zwei Polizisten plaudert, dabei den Landtagsdirektor als „antidemokratische Ratte“ betitelt – und alle drei herzhaft lachen. Oder wenn ein Beamter des Anti-Konflikt-Teams beim Handshake mit einem „Querdenken“-Ordner gefilmt wird.

Der Hund war’s, ich schwöre!

Viele Nachrichten hätten das Präsidium wegen dieses Mittschnitts eines „vermeintlichen Handschlags“ erreicht, twittert die Polizei Stuttgart. Und als wären die Ermittlungen damit abgeschlossen, dass der Hund die Hausaufgaben gefressen hat, gibt die Staatsmacht bekannt: „Nach Rücksprache mit dem Beamten ergriff der Versammlungsteilnehmer nach einem Gespräch dessen Hand und streckte sie in die Höhe.“ Dumm nur, dass ein weiteres Video den gleichen Beamten zeigt, wie er an einem Polizeifahrzeug vorbeischlendert, unter dessen Scheibenwischer jemand ein Bild von Olaf Scholz in Häftlingskleidung geklemmt hat – und es ignoriert. Da fühlt man sich wie eine ermüdete Schallplatte, wenn man anmerkt, dass es vielleicht nicht die allergeschickteste Lösung ist, Fehlverhalten der Polizei von der Polizei selbst aufarbeiten zu lassen.

Während die Staatsmacht circa 15.000 „Querdenken“-AnhängerInnen, von denen sich fast niemand an die Versammlungsauflagen hielt, stundenlang durch die Stuttgarter Innenstadt marschieren ließ, ohne einzuschreiten, hat sie den Gegenprotest schikaniert. Mit einem Fahrradkorso protestierten AktivistInnen aus dem Umfeld der Antifa und blockierten dafür die B14. Sie wurden von der Polizei stundenlang eingekesselt und die Beteiligten erhielten für die Aktion 266 Platzverweise. (Die RechtsextremismusexpertInnen von „Endstation Rechts“ verweisen in diesem Zusammenhang auf einen „Fun Fact“: Beim „Querdenken“-Protest hat die Polizei am vergangenen Samstag ganze 254 Verstöße gegen die Corona-Auflagen registriert – aber Nopper hat ja schon zugesagt, dass die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen sei.)

In der schriftlichen Begründung für die Platzverweise heißt es, das Verhalten des Fahrradkorsos stelle „eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar“. Ein Polizeisprecher lässt wissen, dass eine Bundesstraße nicht blockiert bleiben dürfe und dass das polizeiliche Einschreiten auch unter Gesichtspunkten des Infektionsschutzes weniger problematisch erscheine. „Denn hier haben fast alle Beteiligten Masken getragen.“

Was aber ist mit den tausenden Hygieneverweigerern, die durch ihr Verhalten eine nicht minder „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ darstellen dürften? Laut Polizei sei es „nicht möglich, eine so große Personenzahl festzusetzen“, zudem würde das Infektionsrisiko bei einem Einschreiten nur um so höher, da ja kaum jemand Maske trägt.

Nun sind deeskalative Einsatzstrategien aus pazifistisch-liberaler Perspektive grundsätzlich zu befürworten. Und dennoch sticht ins Auge, dass gerade Stuttgart Erfahrungen damit hat, Protest im Zweifel auch unsanft abzuräumen. Dabei muss man kein Jahrzehnt zurückblicken, als die Staatsmacht eine illegale Baumfällaktion ermöglichte, indem sie eine friedliche Schülerdemo mit Wasserwerfen anging und dabei einen unschuldigen Rentner bis zur Erblindung beschoss. Stichwort: Schwarzer Donnerstag. Vor nicht allzu langer Zeit gab es da auch einen Vorfall am Rande einer Demonstration gegen Mietenwahnsinn, bei dem AktivistInnen ein leerstehendes Haus mit Papierzetteln kennzeichneten – und dafür ohne Zaudern und Zögern mit Pfefferspray eingedeckt und Schlagstöcken traktiert wurden.

Bizarres Beschuldigungspingpong

Wenn nun das Auflösen einer großen Demonstration in der Praxis tatsächlich zu erheblichen Komplikationen geführt hätte: Wer trägt dann die Verantwortung für das Desaster vom Samstag?

Hierbei lässt sich nun ein sonderbares Beschuldigungspingpong zwischen Stadt, Land und Polizei beobachten: Niemand will verantwortlich sein. Uwe Lahl, der höchste Beamte im baden-württembergischen Sozialministerium, hat kein Verständnis, „dass die Stadt sich sehenden Auges in diese Situation manövriert hat.“ Die Demonstration hätte nach seiner Einschätzung verboten werden können, wie er bereits vor dem vergangenen Samstag betonte. Das aber verneinen Nopper und sein Ordnungsbürgermeister Clemens Maier vehement.

Wer hat nun recht? In der Corona-Verordnung des Landes heißt es, auch über solche Zusammenkünfte, die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen, dass diese „verboten werden können, sofern der Schutz vor Infektionen anderweitig, insbesondere durch Auflagen, nicht erreicht werden kann.“ Das scheint der Stadt Stuttgart einen gewissen Handlungsspielraum zu strikterem Vorgehen einzuräumen.

Und, wie viele Masken zählen Sie? Wie gut die lückenlose Aufarbeitung wohl gelingen wird?

So gäbe es durchaus die Möglichkeiten, beim Infektionsschutz strenge Vorgaben zu machen. Beispielsweise dürfte ein Demozug, bei dem Abstände absehbar nicht eingehalten werden können, untersagt werden. Oder im Mai, als der Verschwörungsideologe Ken Jebsen vor 10.000 Querdenkern auf dem Stuttgarter Wasen sprach, hat das Ordnungsamt vorgeschrieben, dass Kreuze auf dem Boden den Mindestabstand zu den Nebenstehenden markieren müssen. Auch wenn es trotzdem zu Übertretungen kam, hat diese sehr einfach umsetzbare Maßnahme das Einhalten der 1,5 Meter begünstigt.

Und dieses Mal? Nun, Kreuze hat es nicht gegeben. Dem SWR gegenüber sagte dafür Ordnungsbürgermeister Maier, erst seit wenigen Monaten im Amt, sie hätten vorgeschrieben, dass man „die Fläche auf dem Wasen, es ist ja eine große Fläche, parzelliert und auch durch Gitter so weit abteilt, dass Zusammendrängen der Menschen dann verhindert wird oder zumindest eingeschränkt wird, oder auch dass maskenbefreite Teilnehmer auf einer eigenen Fläche platziert werden, dass für jeden anderen sofort ersichtlich ist, dass diese Menschen tatsächlich über ein Attest verfügen.“ Wer das Geschehen auf dem Wasen beobachtet hat, muss diese Aussage für einen Scherz halten.

Super gemacht, Leute. Großes Lob

Gar nicht mal so sehr zugespitzt lässt sich der „Querdenken“-Samstag wie folgt bilanzieren: Eine vom Verfassungsschutz beobachtete Bewegung mit massiven rechtsradikalen Einflüssen zieht mit 15.000 Menschen durch Stuttgart und wird trotz tausender offensichtlicher Rechtsverstöße nicht von einer Polizei behelligt, die lieber eine Gegendemonstration schikaniert, obwohl und weil sich diese an den Infektionsschutz hält. Noch gar nicht erwähnt wurden bis hierhin die Übergriffe auf Medienvertreter: So wurde ein freier Journalist von einem „Querdenker“ geohrfeigt und ein Presseteam der ARD in einer Live-Schalte unter „Lügenpresse!“-Rufen mit Gegenständen beworfen.

Und was sagen die verantwortlichen Bürgermeister zu diesem durch und durch erbärmlichen Bild, das die Stadt Stuttgart in dieser Gemengelage abgegeben hat? „Hinterher ist man immer schlauer“, verrät Frank Nopper der „Stuttgarter Zeitung“. Und Clemens Maier verteidigt sich gegen Kritik: „Ich glaube, wir haben das Beste daraus gemacht“, zitiert ihn die Deutsche Presseagentur.

Nachdem sich der Autor in einer ersten Bewertung dieser Aussagen zunächst an einem Kotzkrampf verschluckt hat, ist die mildeste Wortwahl, zu der er sich durchringen kann, dass die Stadtverwaltung angesichts so viel dummdreister Selbstgefälligkeit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt.

Info:

Eine lesenswerte Zusammenfassung der politischen Reaktionen auf das Desaster vom Samstag gibt es im „Tagesspiegel“. Die taz berichtet vertiefend über Angriffe auf Medienvertreter, ebenso wie der „Zeitungsverlag Waiblingen„. Auch die MDR-Medienkolumne „altpapier“ hat sich aktuell der „Grenzüberschreitung von Stuttgart“ mit einem Schwerpunkt gewidmet. Und „Der Postillon“ informiert über einen genialen Trick: „Mann bezeichnet sich ab sofort als Querdenker, damit er sich nicht mehr an Regeln und Gesetze halten muss“.

Über demokratiefeindliche Netzwerke in der Corona-Krise erscheint am heutigen Mittwoch der Sammelband „Fehlender Mindestabstand“, herausgegeben von den JournalistInnen Heike Kleffner und Mathias Meisner und mit Beiträgen geschätzter KollegInnen. Vorabdrucke gibt es hier, hier, hierhier und hier

Politisch könnte das Demo-Wochenende noch ein Nachspiel haben: Die linke „FrAktion“ im Gemeinderat hat einen Fragenkatalog an die Stadtverwaltung formuliert. Die Stuttgarter SPD fordert den Rücktritt von Ordnungsbürgermeister Maier. Und ebenfalls auf Antrag der SPD sind am kommenden Montag in einer Sondersitzung des baden-württembergischen Innenausschusses der Stuttgarter OB Nopper sowie die Minister Thomas Strobl (Innen) und Manfred Lucha (Gesundheit) nicht ein-, sondern geladen. Die Sitzung wird ab 14 Uhr im Livestream übertragen. 

Ukraine: Vom Säbelrassenln zum Krieg?

Im Osten der Ukraine bahnt sich eine neue Krise an: Seit dem Frühjahr gibt es vermehrt Schusswechsel, trotz einer vereinbarten Waffenruhe sind 2021 schon rund 50 Menschen gestorben. Während der Kreml Truppenverlegungen an die ukrainische Grenze anordnet, läuft die Propaganda des russischen Staatsfernsehens auf Hochtouren: Die Ukraine bereite einen Angriff vor, Russlands „Friedenstruppen“ seien bereit, im Donbass einzumarschieren und dort für Ordnung zu sorgen, so der Tenor. 

Die Ukraine versetzt Truppen in Bereitschaft und sucht Beistand im Ausland: In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Selensky sagte Joe Biden, dass die Ukraine auf die „unerschütterliche Unterstützung“ Amerikas zählen könne.

Die Einschätzungen der Lage gehen in Russland weit auseinander: Der russische Militärexperte Pawel Felgengauer glaubt etwa, dass die Krise sich im Extremfall sogar zu einem Weltkrieg auswachsen könne. Für Felgengauers Mitstreiter Alexander Golz ist sie vor allem Säbelrasseln, das dem Aufbau einer Drohkulisse gegenüber dem Westen dient.

Auch Fjodor Krascheninnikow argumentiert, dass Putin wohl keinen neuen Krieg will. Auf Republic kommentiert der Journalist, was der Kreml mit der aktuellen Eskalation beabsichtigt und warum die Situation trotz allem brandgefährlich ist.

Bei Zoonosen Mensch, Tier und Umwelt in den Blick nehmen

Expertenanhörung im  Bundestag im Mai 2020: Bei Zoonosen Mensch, Tier und Umwelt in den Blick nehmen354 Aufrufe –14.05.2020

60 Prozent der bekannten menschlichen Infektionskrankheiten sind tierischen Ursprungs – ebenso wie mindestens 75 Prozent der beim Menschen neu auftretenden Infektionskrankheiten. Mit diesen Angaben der Weltorganisation für Tiergesundheit haben Experten am Mittwoch, 13. Mai 2020, den Hintergrund für ein Fachgespräch des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Zeichen der Corona-Pandemie beschrieben.

Ihr einhelliger Appell: Zur Vorsorge gegen solche Krisen müssten Mensch, Tier und Umwelt zusammen in den Blick genommen werden. Konkret ging es um Zoonosen.

Es handelt sich um Infektionskrankheiten, die von Bakterien, Parasiten, Pilzen, Prionen oder Viren verursacht und zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können.Die Abgeordneten wollten Ursachen, Verbreitung und Vorbeugung ansprechen. Die Sitzung, bei der die Experten per Video zugeschaltet waren, wurde von Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleitet.

Als Sachverständige waren vertreten:

Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie hier: https://www.bundestag.de/dokumente/te…


Quelle: Website WWF – Stand: 06.01.2021

Umweltzerstörung und Gesundheit: WWF legt Drei-Punkte-Plan zur Gefahrenabwehr vor

Die Gefahren für die Gesundheit des Menschen werden durch massive Umweltzerstörungen weiter zunehmen, warnt die Naturschutzorganisation WWF Deutschland angesichts der aktuellen COVID19-Pandemie. Auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens weiterer Zoonosen und anderer Infektionskrankheiten wachse. Im schlimmsten Fall können sich daraus neue Pandemien entwickeln. Der WWF fordert daher ein international konsequentes Vorgehen gegen den illegalen Wildtierhandel und eine bessere Regulierung des legalen Handels, ein Ende der Zerstörung von Ökosystemen und Lebensräumen sowie mehr Grundlagenforschung über die Prozesse, die das Überspringen von Krankheitserregern von Tieren auf den Menschen möglich machen.

„COVID-19 macht uns allen schmerzhaft und auf dramatische Weise deutlich, dass wir die zerstörerische Beziehung, die wir zur Natur haben, überdenken und korrigieren müssen“, fordert Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland. „Die Vernichtung der biologischen Vielfalt hat indirekte und direkte Folgen auf die Gesundheit des Menschen. Lebensraumzerstörung wie Entwaldung sowie illegaler oder schlecht regulierter Wildtierhandel machen häufigere und schwerwiegendere Ausbrüche von Infektionskrankheiten wahrscheinlicher. Das führen uns die SARS-Pandemie von 2002/2003 und die aktuelle COVID-19-Krise drastisch vor Augen.“

Der WWF Deutschland hat drei Stellschrauben identifiziert, um die Risiken weiterer Zoonosen und Infektionskrankheiten in Zukunft zu verringern:

1.     Entschiedenes Vorgehen gegen den illegalen Wildtierhandel sowie bessere Kontrollen des legalen Artenhandels mit Produkten wie etwa Wildfleisch: Kernelement ist laut WWF-Einschätzung ein konsequentes Vorgehen gegen illegalen Artenhandel inklusive der Schließung von unregulierten Märkten und der Überarbeitung von Gesetzen, um Schlupflöcher zu schließen. Dazu eine bessere Regulierung des legalen Artenhandels, um dem Auftreten von Zoonosen vorzubeugen, etwa durch höhere hygienische Standards. Hier bräuchte es mehr Unterstützung  – gerade für Entwicklungs- und Schwellenländer. Auch bei internationalen Abkommen und Verhandlungen muss das Thema, so die WWF-Forderung, noch stärker als bisher in den Fokus rücken.

2.     Biodiversität schützen und anerkennen, dass diese für Ökosysteme und menschliche Gesundheit unabdingbar ist: Der Schutz der biologischen Vielfalt und ein Ende der Lebensraumzerstörung ist laut WWF ein Schlüsselfaktor, um die Ausbreitung neuer Infektionskrankheiten zu verhindern. Umweltveränderung führen zu neuen Ausbreitungsmustern von Krankheitserregern. Wenn Lebensräume und Ökosysteme zerstört werden und natürliche Barrieren wegfallen, bringt das Arten in Kontakt zueinander, die vorher nicht im Kontakt waren. Außerdem entsteht eine neue, räumliche Nähe zum Menschen. Beide Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten und Zoonosen. Deutschland muss hier im eigenen Interesse seiner Verantwortung nachkommen und eine Vorreiterrolle übernehmen. Konkret fordert der WWF Gesetze auf nationaler wie europäischer Ebene für entwaldungsfreie und nachhaltige Lieferketten. Die Finanzwirtschaft und die staatlichen Hilfs- und Konjunkturprogramme müssen umgehend neben der Solvenz auch ökologische und soziale Kriterien aufstellen und deren schrittweise Erfüllung überprüfen. Hierzu gehört das Klimaziel von Paris ebenso wie die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.

3.     Die Gesundheit von Menschen, Wildtieren und Umwelt muss zukünftig konsequent zusammen gedacht werden: Die Zusammenhänge zwischen Lebensraumzerstörung und dem weltweiten Verlust an Biodiversität einerseits und der menschlichen Gesundheit andererseits müssen bei der globalen Gesundheitsvorsorge und in der Forschung stärkeres Gewicht erhalten. Es gelte ein etwaiges Silo-Denken aufzubrechen und diese Herausforderungen noch interdisziplinärer anzugehen. So müsse man davon ausgehen, dass zukünftig vermehrt Epidemien, wie etwa SARS, die Vogelgrippe oder COVID-19 drohen. Die ökologischen Prozesse, die zur Entstehung solcher Ausbrüche führen, müssten besser verstanden und berücksichtigt werden. Diese Einsicht muss in zukünftigen Forschungs- und Förderprogrammen stärker in den Vordergrund rücken, so der WWF.


Wenn sich der Mensch beim Tier ansteckt: Woher kommen Zoonosen? | Gut zu wissen | BR –3.079 Aufrufe – 14.04.2020


Wildtiermärkte: Brutstätten für Coronaviren | Zoonosen und Artensterben | Wissen Was mit MrWissen2go – 8.053 Aufrufe  06.04.2020


Schweinepest, Corona & Co – der Vormarsch neuer Viren | Leschs Kosmos –273.750 Aufrufe – 25.11.2020