Quelle: Tagesschau online
Stand: 24.03.2022
Russland und die AfD – Einflussreich gegen Europa
Die Kontakte von AfD-Politikern zu einem kremltreuen Oligarchen sind noch enger als bekannt. Dokumente, die WDR, NDR und SZ vorliegen, zeigen zudem eine enge Verzahnung der europäischen Rechten mit der Propagandamaschine des Oligarchen.
Von Petra Blum, Sebastian Pittelkow, Katja Riedel und Sarah Wippermann (WDR/NDR)
Als sich Anfang 2016 in Mailand erstmals das „Who is Who“ der europäischen Rechten traf, gab es offenbar einen offiziellen und einen inoffiziellen Teil. Man feierte den ersten Kongress der neuen Rechtsaußenfraktion „Europa der Nationen und Freiheiten“ des EU-Parlaments. Darin vereint waren Vertreter der Lega Nord, des Front National, der FPÖ, der Wilders Partei, der AfD und vieler anderer rechtsnationaler Parteien. Eigentlich, so legen es nun Dokumente nahe, sollten auf der Bühne auch Stargäste aus Russland stehen. Doch kurz davor wurden die Treffen offenbar in Hinterzimmer verlegt.
So ist es zumindest in einer E-Mail zu lesen, die die langjährige rechte Hand Salvinis, ein Mann namens Gianluca Savoini, geschrieben haben soll – von einer russischen E-Mail-Adresse. Den Dokumenten zufolge hatte er offenbar jahrelang als Mittelsmann zwischen Vertretern europäischer Rechtsparteien und der russischen Seite agiert. Savoini schrieb zum Beispiel an Alexander Dugin, der als putintreuer rechtsextremer Ideologe gilt.
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Vor wenigen Tagen erst schockierte Dugin mit der Aussage, dass entweder Russland im Krieg gegen die Ukraine siege oder dies „das Ende der Welt“ werde. Im Mailwechsel zwischen Savoini und Dugin ging es um besondere Diskretion: Angesichts von Spekulationen, die Lega Nord habe aus Russland illegale Wahlkampfhilfen erhalten, solle man sich lieber heimlich treffen. „Konstantin hat mit Marine telefoniert?“, wollte Savoini wissen – und meinte damit anscheinend Konstantin Malofejew, einen russischen Oligarchen und Marine Le Pen, die Chefin des französischen Front National. „Können wir also organisieren, sie im Hotel zu treffen und nicht in der Öffentlichkeit?“
Was bei diesem Geheim-Meeting besprochen wurde, ob es wirklich stattfand, lässt sich nicht verifizieren. Savoini ließ Anfragen unbeantwortet. Doch die E-Mails sind sehr detailliert und im Ton sehr vertraut, einige dort genannten Ereignisse lassen sich unabhängig überprüfen. Die Dokumente wurden dem Londoner „Dossier-Center“ zugespielt, das der ehemalige Oligarch Mikhail Chodorkowsky finanziert. Internationale Medien, darunter NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ konnten sie auswerten.
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Aus den E-Mails geht hervor, dass Malofejew offenbar eine zentrale Rolle in einem Netzwerk spielt, das europäische Rechtsparteien für russische Interessen nutzen wollte. Malofejew ist ein Medienmogul, ein russischer Oligarch, schwerreich, fundamental-christlich, der das Zarenreich wieder errichten will. Der Ukraine spricht er schon lange ein Existenzrecht ab. Die Krim-Annexion durch Russland 2014 soll er aktiv unterstützt haben. Er wurde deshalb von der EU sanktioniert.
„Wir warten auf Sie in Moskau!“
Auf eine Anfrage von WDR, NDR, SZ und internationalen Partnern ließ er ausrichten, dass er sich zum Inhalt nur persönlich in einem Interview in Moskau äußern werde. Er warf den Medien vor, als Mitglieder westlicher Geheimdienste zu agieren. „Deshalb ist Ihre Anfrage so als würde die Nazizeitung ‚Völkischer Beobachter‘ 1941 die UdSSR um einen Kommentar zu den Ereignissen an der Ostfront anfragen.“ Er schließt: „Wir warten auf Sie in Moskau!“
Folgt man den Unterlagen weiter, hatte Malofejew offenbar häufig nach Moskau eingeladen: Und zwar Vertreter der europäischen rechtspopulistischen Parteien. Auch AfD-Mitglieder waren Recherchen von NDR, WDR und SZ zufolge wiederholt zu Gast. In der AfD erzählt man sich, dass es dabei auch immer mal wieder Geldangebote an Politiker gegeben haben soll, in dicken Briefumschlägen – angeblich auch zur Wahlkampfunterstützung. Allerdings beteuern die, die solche Offerten erlebt haben wollen, sie hätten diese niemals angenommen.
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Bindeglied Savoini
Die Zusammenschau aller Dokumente des Dossier-Centers zeigt die besondere Rolle des Italieners Savoini, der offenbar auch als Bindeglied der Russen zu den anderen rechtsnationalen Parteien fungierte. Mal unterhielt er sich mit Mitarbeitern des Oligarchen über die Bezahlung einer Person, wie mit „K“ besprochen. Viel öfter aber lud er ein: zu Reisen, zu sehr privaten Treffen vor allem mit Malofejew.
Eine solche E-Mail schickte er offenbar Anfang Januar 2019 an den damals mächtigsten Mann des rechten Flügels der AfD, Andreas Kalbitz. „Dear Andreas“, schrieb Savoini, „Mr. K wartet auf Dich und Herrn Björn Höcke in seinem Büro in Moskau Ende Januar, wenn Ihr könnt.“ Er werde sie auch noch mit dem Chef der auswärtigen Beziehungen von Putins Partei zusammenbringen: „Das Meeting mit Mr. K wird selbstverständlich privat sein.“
Höcke ist offenbar dann nicht mitgereist. Eine Anfrage ließ er unbeantwortet. Andreas Kalbitz schließt nicht aus, nach Moskau geflogen zu sein, möglicherweise tat er das mit den früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann und Steffen Kotré. Letzterer bestätigte die Reise. Kalbitz und Kotré betonen, dass es nie Geldangebote der russischen Seite gegeben habe. Pasemann ließ schriftliche Fragen bislang unbeantwortet, auch telefonisch war er nicht zu erreichen.
Beziehung auf „Top-Level“
Von dem früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann findet sich in den Unterlagen allerdings ein überschwängliches Dankesschreiben auf offiziellem Bundestags-Briefpapier, adressiert an einen Top-Manager Malofejews. Er dankte diesem für das Dinner, und lud zum Gegenbesuch in den Bundestag. Man sei im Gespräch mit einem der Parteichefs, die Beziehung auf „Top-Level“ fortzusetzen.
Savoini, so zeigen zahlreiche E-Mails, ging es bei seinen Anbahnungen offenbar auch darum, Informationen zu besorgen. Er suchte laut einer Mail direkt nach dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 offenbar den Kontakt ins Umfeld von Markus Frohnmaier, dem russlandnahen ehemaligen Chef der AfD-Jugendorganisation. Savoini kontaktierte einen engen politischen Weggefährten Frohnmaiers, Manuel Ochsenreiter, Chefredakteur extrem rechter Zeitschriften, der 2021 überraschend in Moskau verstorben ist.
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Die Unterlagen zeigen, dass offenbar auch Ochsenreiter in Russland zum engen Umfeld Malofejews zählte. Im fraglichen Mail-Wechsel ging es um „unsere russischen Freunde“ und ein seltsames Vorhaben: ein Rückkehrmanagement syrischer Flüchtlinge. Ochsenreiter sollte laut der Mails offenbar Frohnmaier für das Projekt gewinnen und eruieren, wie viel Geld die deutsche Regierung zugunsten syrischer Flüchtlinge ausgebe.
„Nachdem wir diese Dinge wissen, können wir ein operatives Meeting in Moskau organisieren.“ Schnell meldete Ochsenreiter laut der Dokumente zurück: „Gerade mit Markus gesprochen, er ist happy an dem Projekt teilzunehmen.“ Die angefragten Informationen liefert Ochsenreiter gleich mit. Frohnmaier bestreitet, einer Teilnahme an dem Projekt zugestimmt zu haben. Er habe überhaupt keine Kenntnis „von irgendeiner Involvierung Russlands in dieses nebulöse Projekt“.
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Ochsenreiter hatte auch sonst offenbar enge Russland-Kontakte. Ein deutscher Abgeordneter, der Ochsenreiter gut kannte und sich mit ihm vor seinem Tod in Moskau getroffen haben will, berichtet: „Ochsenreiter hat mir irgendwann zu verstehen gegeben, dass er für russische Dienste gearbeitet hat und zuletzt vor seinem Tod an das russische Außenministerium angebunden war, zumindest hat er mir das so erzählt.“
In den Dokumenten des Dossier-Centers finden sich auch Pläne für angebliche Neugründungen paneuropäischer rechts-nationaler Organisationen. Auch lässt sich zumindest der Verdacht erkennen, Abgeordnete in verschiedenen europäischen Ländern sollten mit einer Art Antritts- und Erfolgsprämie dazu bewegt werden, in diversen Landesparlamenten Resolutionen für die Anerkennung der russischen Ukraine-Politik im Zuge der Krim-Annexion zu befördern.
Die AfD erklärte auf Anfrage, sie habe von sämtlichen Vorgängen nichts gewusst, weder von Reisen noch von Verbindungen einzelner AfD-Abgeordneter zu Malefejew – und sie habe auch keinerlei Reisen finanziert.
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