Bernd Greiner: „Alleintäter Russland“? Eskalation oder Rückkehr zur Entspannungspolitik?

Bernd Greiner: „Alleintäter Russland“? Eskalation oder Rückkehr zur Entspannungspolitik? – 57 Aufrufe – 13.04.2022 RosaLux Hamburg – 

Damit es keinen Zweifel geben kann: Die militärische Intervention der Russischen Föderation in die Ukraine ist nicht akzeptabel. Es handelt sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, der nicht zu rechtfertigen ist. Aber ist es deswegen sinnvoll, sich die Strategie „des Westens“, also der Nato und insbesondere der USA der letzten Jahre nicht anzusehen? Und zu prüfen, ob der Vorwurf berechtigt ist, deren Politik habe zur Verschärfung der Konfrontation in Europa beigetragen. Dabei geht es nicht um eine Relativierung der Verantwortung der russischen Führung. Was aber hat dazu geführt, dass die jahrelange, bemerkenswert konstruktive Kooperation von Nato und Russland beendet wurde? Welche Strategiewechsel trugen dazu bei, erfolgreiche Mechanismen der Entspannungspolitik aufzugeben? Eine Blick auf die Vorgeschichte des Krieges könnte auch deshalb lohnen, um für eine friedliche Perspektive für die Zeit nach dem Krieg zu lernen. Denn die muss zweifellos das Ziel sein. Schließlich birgt dieser bewaffnete Konflikt im Moment das Potenzial für eine aus dem Ruder laufende Eskalation, die eine Bedrohung für die Menschheit als Ganzes sein kann. Gibt es also eine Chance für eine neue Entspannungspolitik?

Prof. Dr. Bernd Greiner war beim Hamburger Institut für Sozialforschung sowie der Uni Hamburg im Arbeitsbereich Globalgeschichte tätig. Zudem leitete er das Berliner Center for Cold War Studies, ein Kolleg des Instituts für Zeitgeschichte München, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Herbst 2021 erschien von ihm bei Beck Made in Washington. Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben Gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg.

Bernd Greiner – Henry Kissinger. Wächter des Imperiums

Bernd Greiner – Henry Kissinger. Wächter des Imperiums

2.050 Aufrufe – 16.07.2021 –Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus – 

Henry Kissinger, ein Scheinriese, der immer kleiner wird, je näher man ihm kommt. Auf diesen Nenner bringt der Historiker Prof. Dr. Bernd Greiner das politische Denken und Handeln des deutschstämmigen Politikers. Zugleich verstand es Kissinger, sich zur Marke in Übergröße zu machen, egal, ob als Sicherheitsberater zweier amerikanischer Präsidenten, als Außenminister, Elder Statesman, Bestsellerautor, Politikberater oder Weltorakel. Sich immer im Gespräch zu halten war und ist Kissingers größter Erfolg. Gestützt auf eine Vielzahl unbekannter Quellen rekonstruiert Bernd Greiner das Leben eines Mannes, der für die Macht lebte und in die Geschichte eingehen wollte – mit allen Mitteln und um fast jeden Preis.

Nach einem Kurzvortrag stellt sich der Autor Prof. Dr. Bernd Greiner den Fragen von Dr. Christian Westerhoff von der Bibliothek für Zeitgeschichte. Eine

Veranstaltung der Bibliothek für Zeitgeschichte und der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus.

Kapitel 00:00 Begrüßung von Ernst Wolfgang Becker 03:59 Impulsvortrag von Bernd Greiner Fragen von Christian Westerhoff: 22:24 Beweggründe für das Verfassen der Biographie 26:30 Warum wird die Vertreibung Kissingers aus Deutschland nur kurz behandelt? 31:35 Wie konnte Kissinger ohne politische Erfahrung Nationaler Sicherheitsberater werden? 36:09 Warum konnte sich die Regierung Nixon so lange halten? 39:43 Wieso erhielt Kissinger 1973 den Friedensnobelpreis? 43:15 Welchen Einfluss hatte Kissinger auf die (deutsche) Entspannungspolitik? 49:27 Welche Rolle spielte Kissinger in der Watergate-Affäre? 52:12 Wie erklärt sich Kissingers publizistische Karriere nach Ausscheiden aus dem Amt? 1:03:31 Hat Kissinger einen Grundstein für die Politik Donald Trumps gelegt? 1:05:16 Schlussworte


Krieg in der Ukraine – Scholz hat recht

Spiegel online 08.03.2022 Ein Gastbeitrag von Thomas Fischer

Krieg in der Ukraine – Scholz hat recht

Mitten in die Kriegseskalation hinein vertritt die Bundesregierung die These, es sei für den inneren Frieden Deutschlands wichtig, weiter russisches Gas und Öl zu importieren. Der Gedanke ist richtig und ausbaufähig.

Gefühl

Bekanntlich neigen Menschen, die in großer Not und Angst sind, eher nicht dazu, sich gegenseitig zu berichten, wie schlimm es ihnen geht. Mit der Entfernung wächst das Bedürfnis, auf eine merkwürdig vereinnahmende Weise teilzuhaben am fremden Leid. Nun sind Mitleid und Mittrauer gewiss keine verdächtigen Motive; zu Recht gelten sie als hohe menschliche Qualität im evolutionären, sozialen und psychologischen Sinn. Aber man muss aufpassen: Selten sind Voyeurismus und Freude daran, nicht selbst zu leiden, so billig und auch noch mit solcher Inbrunst des Gutseins zu bekommen. Tatsächlich wissen das auch alle. Deshalb verachten und bestrafen sie die »Gaffer«, die »Schaulustigen«, die »Katastrophentouristen«, die stets die anderen sind. Fragt man die »Gaffer« selbst, sind sie stets aus Mitleid da.

Kampfpläne

Im Fall des fremden Kriegs kommt noch anderes dazu. Zum Beispiel eine große Lust am Strafen, die Freude daran, Schuldige, Verräter und Feinde, nicht zuletzt auch in den eigenen Reihen, zu finden und zu quälen, zur Strafe für die Angst. Deshalb werden russische Tütensuppen aus Regalen entfernt, russische Sängerinnen aus den Ensembles geworfen und Freunde von Russen aus Hundezuchtvereinen und Parteien. Ich weiß nicht, ob der Krankenhausverband, die Stiftung Patientenschutz und die Institutionen der Altenpflege schon alle russischen Pflegekräfte, Krankenpfleger und Ärzte aufgefordert haben, entweder Kittel in den ukrainische Landesfarben zu tragen oder den Dienst zu quittieren. Möglich scheint derzeit alles.

Die erbärmlichste aller Distanz-Kampfmaßnahmen der letzten Woche war es, die russischen Behindertensportler von den Paralympics auszuschließen. Körperlich oder geistig schwer behinderte Menschen, die jahrelang mit bewundernswerter Energie auf diesen Termin hingearbeitet haben und für die der Sport nicht selten eine zentrale Quelle von Überlebensmut und Freude ist, dafür zu bestrafen, dass sie Russen sind: Darauf muss man erst einmal kommen. Dafür und für das pharisäerhafte Selbstlob dieser Tapferkeit sollten sich alle schämen. Mehr ekelhafte Heuchelei auf Kosten Dritter geht kaum noch.

Da sind andere Kampfpläne von ganz anderer Qualität. Wie vorherzusehen, war es nur eine Frage der (kurzen) Zeit, bis die ersten »kritischen« Fragen danach auftauchten, ob nicht ein kleiner Nato-Einsatz doch geeignet und erforderlich … Dem Vorsitzenden der CDU, vom einsam »gereiften« Kanzler in den medialen Schatten gedrängt, war es vorbehalten, das Stichwort einzubringen: Nato-Angriff? Na ja, eigentlich nicht, aber andererseits doch, wenn Russland gezielt die Atomkraftwerke in der Ukraine zerstört. Nun ja, denkt da mancher, das Sauerland hat schon viele große Strategen hervorgebracht, warum soll da nicht auch mal einer sagen, dass er eher die Welt vernichten würde als sich bei einem Angriff aus dem All den Aliens ergeben.

Aber so einfach ist das nicht. Schon munkelt es durch die Presse, dass das Verwaltungsgebäude des ukrainischen AKW »gezielt« beschossen wurde. Und auf Seite eins der »FAZ« vom 5. März schreibt ein Herausgeber, dass der Einsatz von taktischen Atomwaffen zum Standardrepertoire der russischen Armee gehöre und man dort den »Einsatz in verstrahltem Gebiet« trainiere .. Die unseren, soll das wohl vorgaukeln, üben so etwas erst gar nicht.

Und überhaupt: Wieso sollen Schützenpanzer eigentlich keine Verteidigungswaffen sein? Die ganze Bundeswehr und sowieso alle Nato-Armeen sind doch eigentlich, wie schon der Name der zuständigen Ministerien zeigt reine Verteidigungswaffen! Die Zeiten, in denen Politiker stolz zum Titel »Kriegsminister« standen, sind vorbei, seit die Geheimdienste im Ministerium der Liebe und die Abteilungen für Propaganda und embedded journalism im Ministerium für Wahrheit angesiedelt sind. Seit Sonntag, so meldeten Herr Stoltenberg und Teile des Kapitols, denke man »aktiv« über die Lieferung von Nato-Kampfflugzeugen an die Ukraine nach. Natürlich nur russische MIG 29, die bei der polnischen Nato-Armee dienen! Wäre es nicht ein Spiel mit Freude aufs Feuer, könnte man fasziniert dieser Emanzipation der Waffe vom Werkzeug zur ethnisch eigenständigen Persönlichkeit zuschauen: Das Erschießen eines Russen mit einer Kalaschnikow wird, aus den Augen der Waffen-Identität, zum schlichten Selbstmord des Feindes.

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Waffenlieferungen an die Ukraine: Diskussion bei maybritt illner – 8.4.22

Waffenlieferungen an Ukraine: Merz kritisiert Kanzler Scholz I maybritt illner vom 08.04.2022 –314.232 Aufrufe – 08.04.2022 –

Friedrich Merz ist der Meinung, Scholz habe entsprechende Fragen in der Regierungsbefragung im Parlament nicht beantwortet. Die Waffenlieferungen seien Chefsache. Funktionierten die Prozesse nicht, müsse Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sage zum Teil sogar die Unwahrheit, kritisiert Merz mit Blick auf vorgebliche Geheimhaltungsabsprachen mit der Ukraine. „Parlament und Öffentlichkeit werden von dieser Bundesregierung getäuscht“, so der Oppositionsführer. Lambrecht sei mit dem Amt völlig überfordert. Deutschland laufe mit den Waffenlieferungen für die Ukraine „ständig hinterher“.

Nach 16 Jahren unionsgeführter Militärpolitik sollten CDU und CSU jetzt nach Ansicht von FDP-Fraktionschef Christian Dürr „nicht ganz so laut auf die Sahne hauen“. Gleichwohl sprach sich Dürr für deutlich mehr Anstrengungen bei den Waffenlieferungen für die Ukraine aus. Richtig sei, dass Deutschland jetzt bewaffnete Panzer liefere. Er sei auch bereit, über eine Freigabe von Waffen zu reden, die „jetzt auf den Höfen der deutschen Rüstungskonzerne“ stehen und nicht genutzt werden. Sollte der Fall eintreten, dass der Krieg in der Ukraine länger dauere, müsse nun militärisch darüber nachgedacht werden, „wie wir auch länger die Soldatinnen und Soldaten der Ukraine unterstützen“, so Dürr.

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, fordert für den Fall, dass kein Gas mehr aus Russland kommt, eine Priorisierung der Wirtschaft bei der Gasverteilung. Im Vergleich zum Heizen von Wohnungen sei der Arbeitsplatz für viele wichtiger, so Wolf: „Wenn Sie die Leute fragen und sagen: ‚Wollt ihr lieber bei 17 Grad zu Hause sitzen und drei Pullover anhaben und euren Arbeitsplatz behalten?‘, dann sagen die sofort: ‚Ja.'“ Angesichts des Ziels der Autarkie von Russland fordert er die Erwirtschaftung von Geld, „das wir dann in Windkraftanlagen stecken in Deutschland.“

Christian Dürr (FDP) spricht sich ebenfalls für eine Repriorisierung im Gas-Notfallplan zugunsten der Grundstoffindustrie aus. Stoppe Russlands Präsident Wladimir Putin die Gaslieferungen, hätte das in grundlegenden Bereichen der Wirtschaft dramatische Folgen. Gehe „es nur um Wärmeversorgung, wie im Wohnzimmer, wäre das eine andere Situation“, sagte Dürr. Die „eigene Versorgung“ dürfe nicht zusammenbrechen. Da sei „das Wohnzimmer nicht ganz so prioritär“, sagte der FDP-Politiker mit Bezug auf die derzeit gültige Regel, die Privathaushalten Vorrang bei der Energieversorgung einräumt.

Der Militärexperte Prof. Carlo Masala kritisiert, dass die Diskussion rund um den Stopp russischer Gasimporte „zu binär“ geführt werde. Man könne darüber nachdenken, die Fördermengen so zu reduzieren, „dass diese Grundindustrie noch weiterlaufen kann“. Bei einem Ausbleiben eines Gasembargos dürfe man nicht auch bei Waffenlieferungen bremsen: „Wir können nicht auf der einen Seite der Bremser sein und auf der anderen Seite sehr zögerlich sein“, so Masala: „Wir profitieren enorm von Sicherheit und Stabilität auf diesem europäischen Kontinent.“

Die ukrainischer Verlegerin Kateryna Mishchenko fordert, dass man den Ukrainern nicht nur helfen solle, sondern nun zusammen kämpfen müsse. Dazu müsse man diesen Krieg nicht als humanitäre Katastrophe wahrnehmen. Die Ukrainer seien keine Helden, sondern „einfach Menschen, die leben wollen und die auch Verantwortung übernehmen“. Das sei die Stärke des Landes, so Mishchenko. —

Die Gäste der Sendung: Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender, FDP Friedrich Merz, Partei- und Fraktionsvorsitzender, CDU Kateryna Mishchenko, ukrainische Verlegerin und Mitautorin des Maidan-Buches „Ukrainische Nacht“, aus Kiew geflüchtet Stefan Wolf, Präsident Arbeitgeberverband Gesamtmetall, Unternehmer Carlo Masala, Militärexperte, Professor für Internationale Politik, Universität der Bundeswehr, München