Quelle: Kontext – Ausgabe 475 – 06.05.2020 – Von unserer Redaktion
Steuergeld für Naziklagen
Die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag hat vier missglückte Versuche ihrer Mitarbeitenden, juristisch gegen Kontext vorzugehen, aus Fraktionsgeldern bezahlt. Ob das rechtmäßig ist, weiß keiner.
Ende Novermber 2019 hat Kontext unter dem Titel „Nazis in der zweiten Reihe“ einen Text veröffentlicht, der einigen Mitarbeitenden der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg auf den Zahn fühlt und deren frühere oder aktuelle Verbindungen zur extremen Rechten aufzeigt. Wie zu erwarten, trafen wenig später vier Abmahnungen zu diesem Text ein. Die Kanzlei, die auch Marcel Grauf gegen Kontext vertritt, den Mitarbeiter der AfD-Abgeordneten Christina Baum und Heiner Merz, forderte uns im Namen ihrer Mandanten auf, insgesamt vier Unterlassungserklärungen zu unterschreiben.
Die Begründung in allen vier Fällen: Eine identifizierende Berichterstattung, also die Nennung der Vor- und Zunahmen der betreffenden Personen in unserem Artikel, sei nicht zulässig. Zudem seien die belastenden Informationen falsch. So habe etwa, um ein Beispiel zu nennen, Armin Allmendinger die erwähnten Artikel für die NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ nicht geschrieben. Und wenn dennoch Artikel von ihm erschienen seien, dann „ohne sein Wissen und Wollen“. Kontext liegen Allmendingers Texte vor. Ohne „Wissen und Wollen“? Da sind zumindest Zweifel angebracht.
Insgesamt haben neben Allmendinger auch die Mitarbeitenden Laurens Nothdurft, Meike Hammer und Reimond Hoffmann, Kreisrat in Rottweil und Gemeinderat der Stadt, in jeweils ähnlichem bis gleichem Wortlaut beim Landgericht Frankfurt am Main Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt.
Kontext hat keine Unterlassungserklärung abgegeben. Stattdessen haben unsere Anwälte eine Schutzschrift hinterlegt, mitsamt der Belege, auf die sich der angemahnte Artikel stützt. Das Landgericht Frankfurt hat den Antragstellern einen ausführlichen Hinweis erteilt und auf die geringen Erfolgsaussichten hingewiesen. So sei die Unwahrheit der angegriffenen Tatsachen nicht ausreichend glaubhaft gemacht und bei „Nazis“, „rechtsradikale“ und „Mitarbeitende mit braunen Flecken auf der Weste“ handele es sich im Zusammenhang mit der Berichterstattung um zulässige Meinungsäußerungen. Die vier Mitarbeitenden haben daraufhin ihre Anträge zurückgenommen und mitgeteilt, dass sie auf die geltend gemachten Ansprüche verzichten und diese nicht weiterverfolgen. Folgerichtig hat das Landgericht die Antragsteller dazu verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu jeweils einem Viertel zu tragen. Pro Person macht das 742 Euro und zehn Cent.
Die Verfahrenskosten überwiesen hat allerdings die AfD-Landtagsfraktion.
Nun ist allein schon fragwürdig, dass eine Fraktion im Landtag Leute beschäftigt und nachhaltig an ihnen festhält, die nachgewiesenermaßen Verbindungen zur extremen Rechten hatten oder haben: zur NPD, zur vom Verfassungsschutz beobachteten und inzwischen als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften Identitären Bewegung oder zur mittlerweile verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend. Drei Minuten googeln reichen mittlerweile aus, um zu wissen, wen man da eingestellt hat.
Dass allerdings die Kosten von vier missglückten und auf Falschbehauptungen fußenden Abmahnversuchen gegen die Presse dann auch noch aus der Fraktionskasse gezahlt werden, ist bedenklich. Dürfen die das? Dürfen die, unter Verwendung von Steuergeldern, die zur Wahrnehmung der politischen Aufgaben, zur Organisation und Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes einer Fraktion eingesetzt werden sollen, den Versuch unternehmen, kritische Medien mundtot zu machen?
Naturgemäß antwortete die AfD-Fraktion nicht auf mehrfache Anfragen zur Sache. Diverse Verwaltungsrechtler, die Kontext angefragt hat, können diese Frage nicht beantworten. Zu speziell. Der Rechnungshof Baden-Württemberg schreibt, man habe sich zu „dieser Problematik noch nicht geäußert“. Die Verwendung von Fraktionsgeldern für Gerichtsverfahren von Mitarbeitern der Fraktion sei „bislang nicht Gegenstand von Prüfungen des Rechnungshofs“ gewesen.
Auch der Bundesrechnungshof antwortet in diesem Sinne. Dort sei diese Frage bisher ebenfalls noch nicht aufgetaucht, ergo noch nie geprüft worden. Die Landtagsverwaltung selbst wiederum verweist zurück an den Landesrechnungshof. Man möchte die Prüfung nach Ablauf der Wahlperiode abwarten. Dann warten wir ab. Dem Landesrechnungshof sei dieser Text zur Archivierung empfohlen