Klimaanpassung in den Städten: Was Infrastrukturen dazu beitragen können

„Die Folgen des Klimawandels setzen Städten und ihren Bewohnern besonders zu. Risiken wie Wasserknappheit, Hitzestress, Starkregen oder Überflutungen ballen sich in städtischen Gebieten. Eine kluge Stadt- und Infrastrukturplanung, die nicht nur neue technische Lösungen im Wasserbereich berücksichtigt, sondern auch das Potenzial grüner und blauer Infrastrukturen nutzt, kann Städte robuster machen.

Wie solche Planungsprozesse gelingen können, wurde im Projekt netWORKS 4 unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung gemeinsam mit den Städten Berlin und Norderstedt untersucht. 05.11.2019

Wie verwundbar Städte durch Extremwetterereignisse sind, zeigen Hitzewellen und Starkregenfälle der letzten Zeit. Durch ihre dichte Bebauung und wenig Vegetation heizen sie sich stärker auf als das Umland. Aufgrund versiegelter Böden kommt es auch schneller zu Überflutungen. In beiden Extremfällen kann städtisches Grün als Teil der grünen Infrastrukturen Lösungen bieten. Denn Parks, Stadtwälder, Straßen- und Gebäudegrün sind im urbanen Raum nicht nur als Erholungsort und für den Erhalt der Biodiversität von Bedeutung. Sie spenden auch Schatten, tragen zur Kühlung bei und können Starkregen abpuffern. Den grünen Infrastrukturen kommt deshalb eine wichtige Rolle bei der Klimaanpassung von Städten zu. 

Doch die Versorgung von städtischem Grün mit Wasser ist keine leichte Aufgabe. Mit Jahresniederschlägen von ca. 800 Litern pro Quadratmeter gilt Deutschland zwar als wasserreiches Land, doch in Hitzeperioden kann es auch in deutschen Städten zu Problemen kommen. Die Bewässerung von Bäumen und Stadtgrün mit aufwendig aufbereitetem Trinkwasser ist nicht nur sehr kostenintensiv für die Kommunen. Wenn wegen großer Hitze der Wasserbedarf insgesamt in einer Region steigt, kann das auch lokal zu Versorgungsengpässen und Wasserknappheit führen. Die Bewässerung des Stadtgrüns kann dann schnell kritisch werden: Grünflächen und Bäume vertrocknen und verlieren damit ihre Wirkung für das Mikroklima und den Starkregenrückhalt sowie für die Aufenthaltsqualität.

Grüne und blaue Infrastrukturen einer Stadt mit Wasserinfrastrukturen koppeln

„Im Forschungsprojekt netWORKS 4 haben wir untersucht, wie wir die technischen Infrastrukturen der Wasserversorgung und -entsorgung besser mit den grünen und blauen Infrastrukturen, also mit den natürlichen und künstlichen Gewässern einer Stadt, verknüpfen können“, sagt Projektleiterin Martina Winker vom ISOE. „Es muss ja kein Trinkwasser sein, mit dem man das Stadtgrün gießt. Betriebswasser aus aufbereitetem Grauwasser oder aufgefangenes Regenwasser eignet sich ebenso zur Bewässerung und schont die wertvollen Trinkwasservorräte“, so Winker. „Umgekehrt kann die gezielte dezentrale Regenwasserbewirtschaftung Starkregenereignisse abmildern, die überforderten Ablaufsysteme der Kanalisation entlasten und vor Überflutung schützen.“

Die Verknüpfung zwischen Stadtgrün und alternativen Wasserressourcen ist aber noch nicht systematisch vorhanden und sollte institutionell entwickelt werden.  „Die ersten Kommunen haben begonnen, gezielt nach anderen Wasserquellen zu suchen, denn die Potenziale sind sehr groß“, sagt Winker. „Es geht zum Beispiel darum, an Orten mit hohem Wasserbedarf, wie zum Beispiel Grünflächen und Friedhöfen, geeignete Wasserressourcen in Menge und Qualität zu identifizieren und nutzbar zu machen.“

Ein Grad Celsius weniger durch Synergieeffekte zwischen Infrastrukturen

„Für die Vernetzung von grauen, grünen und blauen Infrastrukturen müssen Städte und Kommunen in Planungs- und Abstimmungsverfahren neue Aspekte berücksichtigen,“ sagt Jan Trapp vom Forschungspartner Deutsches Institut für Urbanistik (Difu). Doch der Mehraufwand lohne sich. „Die Synergien zwischen den unterschiedlichen Infrastrukturen können nachweislich Ressourcen schonen und den Folgen des Klimawandels entgegenwirken. Allein die Wärmebelastung an heißen Tagen in den Städten könne um bis zu einem Grad Celsius gesenkt werden.“ 

Für die erfolgreiche Umsetzung sei vor allem die frühzeitige Verständigung über gemeinsame Ziele zwischen der Stadtentwicklung, Infrastrukturbetreibern und den Eigentümern von Gebäuden und Grundstücken notwendig. „Es ist wichtig, dass die planungs- und umsetzungsrelevanten Akteure nicht nur die Bausteine für wirkungsvolle Maßnahmen kennen, sondern auch den Mehrwert, der sich aus den Investitionen für die Kopplung blau-grün-grauer Infrastrukturen ergibt,“ sagt Trapp. „Über die Klimaanpassung hinaus leisten Grünflächen in Städten ja auch einen erheblichen Beitrag für Erholung, Wohlbefinden und Gesundheitsförderung der Menschen.“ 

Baustein-Katalog für klimagerechte Stadtplanung und nachhaltige Versorgungssysteme 

Einen für alle Städte gültigen Ansatz für Planung und Umsetzung städtischer Klimaanpassungsmaßnahmen blau-grün-grauer Infrastrukturen gibt es nicht. Dazu sind die örtlichen Voraussetzungen zu unterschiedlich und komplex. Der Forschungsverbund netWORKS 4 hat deshalb einen Katalog mit einzelnen Bausteinen entwickelt, der kommunalen Akteuren, aber auch privaten Bauträgern zeigt, wie die Abwasser- und Niederschlagsbewirtschaftung unter bestimmten Voraussetzungen mit grüner und blauer Infrastruktur gekoppelt werden kann. 

Der Katalog umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, wie zum Beispiel die Gebäudebegrünung und Betriebswassernutzung zur Bewässerung. Gekoppelt schaffen sie einen übergreifenden Mehrwert, das heißt, Grünflächen bleiben auch in Hitze- und Trockenperioden funktionsfähig und Trinkwasserressourcen werden geschont. Der Katalog bietet einen Überblick über die relevanten Eigenschaften der Bausteine sowie über ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen. „Die Bausteine zeigen sehr schön den ‚Charakter‘ verschiedener Infrastrukturtypen,“ sagt Winker. „Grüne und blaue Infrastrukturen sind regelrechte ‚Multitalente‘, weil sie nicht nur die Folgen des Klimawandels abschwächen können, sondern auch die Lebensqualität erhöhen. Die grauen Infrastrukturen verstehen wir eher als die häufig unsichtbaren Spezialisten, weil sie technische Lösungen für eine bessere Klimaanpassung bereitstellen.“ 

Die Kopplungsmöglichkeiten von grünen, grauen und blauen Infrastrukturen mittels raumbezogener Bausteine. Von Martina Winker, Fanny Frick-Trzebitzky, Andreas Matzinger, Engelbert Schramm, Immanuel Stieß. Berlin, August 2019, 72 S. (netWORKS-Papers Nr. 34) 
Download (PDF, 4 MB) http://edoc.difu.de/edoc.php?id=XO21ZKCE 

Über netWORKS 4

netWORKS 4 „Resilient networks: Beiträge von städtischen Versorgungssystemen zur Klimagerechtigkeit“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Fördermaßnahme „Transformation urbaner Räume“ des Förderschwerpunkts Sozial-ökologische Forschung gefördert. Forschungs- und Projektpartner waren das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu), das Kompetenzzentrum Wasser Berlin, die Berliner Wasserbetriebe, die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin sowie die Stadt Norderstedt.“

Alternative: synthetischer Treibstoff

CO2-neutraler Treibstoff aus Luft und Sonnenlicht (am 13.06.2019 veröffentlicht)

Forschende der ETH Zürich haben eine Technologie entwickelt, die aus Sonnenlicht und Luft flüssige Treibstoffe herstellt. Zum ersten Mal weltweit demonstrieren sie die gesamte thermochemische Prozesskette unter realen Bedingungen. Die neue solare Mini-Raffinerie steht auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums der ETH Zürich.


Synthetische Treibstoffe – das Zauberwort für die Zukunft des Verbrenners (am 12.09.2019 veröffentlicht)

Laut Christian Bach von der unabhängigen Forschungsanstalt EMPA sieht die Zukunft für den Verbrennungsmotor düster aus. Retten könnten ihn synthetische Treibstoffe. Doch wie setzen sich diese genau zusammen? Und wie stellt man sie her? Und: können sie die herkömmlichen Treibstoffe tatsächlich adäquat ersetzen und in eine saubere Zukunft führen?

„Wie und womit wir zukünftig mobil sein wollen“ – Schlussfolgerungen des Oberbürgermeister-Dialogs „Nachhaltige Stadt“ vom 14. November 2019 zur nachhaltigen Mobilität

„Die kommunalen Spitzenverbände und die Verkehrsminister von Bund und Ländern sind am 21. November 2019 das „Bündnis für moderne Mobilität“ eingegangen. Der OB Dialog „Nachhaltige Stadt“ versammelt die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister mit besonderem Engagement zur Nachhaltigkeit. Sie betonen, dass moderne Mobilität vor allem nachhaltig sein muss. Ihre Forderungen setzen an ihrer fortschrittlichen Praxis an und fordern mehr Engagement des Bundes und mehr kommunale Freiräume, um den Zielen zur nachhaltigen Entwicklung gerecht zu werden.“ Günther Bachmann als Initiator des OB Dialoges „Nachhaltige Stadt“.

Die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister von Aschaffenburg, Augsburg, Bamberg, Bottrop, Darmstadt, Delitzsch, Dortmund, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Frankfurt am Main, Freiburg, Friedrichshafen, Hannover, Heidelberg, Karlsruhe, Kassel, Kirchheim unter Teck, Köln, Konstanz, Leipzig, Lörrach, Ludwigsburg, Lüneburg, Mainz, München, Münster, Nürnberg, Osnabrück, Ravensburg, Tübingen und Wernigerode sowie die Bürgermeister von Geestland und Rheine.

Wir fügen das absolut lesenswerte und wichtige Positionspapier mit den Forderungen der Oberbürgermeister/innen – zu denen auch unsere Oberbürgermeisterin gehört – hier bei.

Stellungnahme OB-Dialog Nachhaltige Mobilität 14.11.2019

Grundlage der beteiligten Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister bilden die gemeinsam erarbeiteten „Strategischen Eckpunkte für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen“.Mehr zum OB-Dialog

Satire ohne Ende (3SATFestival, Die Anstalt, Heute Show …) mit enormen Aufrufquoten

Kli­ma­pro­teste: Kampf um die Mitte statt Endzeit-Getöse – Kommentar Peter Unfried – Chefreporter taz – 16.10.19

„Kli­ma­pro­teste: Kampf um die Mitte statt Endzeit-Getöse

Peter Unfried  – Chefreporter der taz – Debatte  16. Okt 2019

Die Pro­teste von „Fridays for Future“ haben das Kli­ma­pro­blem ins Zentrum von Politik und Gesell­schaft gerückt. Eine Radi­ka­li­sie­rung der Pro­teste nach dem Muster von „Extinc­tion Rebel­lion“ würde diesen Erfolg gefähr­den. Es kommt darauf an, neue Mehr­hei­ten für eine kon­se­quente Kli­ma­po­li­tik zu bilden.

Quelle: Zentrum liberale Moderne