28. Februar 2019
Nach fünf Jahren juristischer Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat der Bundesfinanzhof (BFH) ein verheerendes letztinstanzliches Urteil gesprochen. Der BFH setzt den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger als das Hessische Finanzgericht, das die Gemeinnützigkeit von Attac 2016 bestätigt hatte. Das Hessische Finanzgericht soll nun nach den Vorgaben des BFH ein anderes Urteil sprechen.
Daher ist absehbar, dass Attac endgültig die Gemeinnützigkeit verliert. Außerdem müssen nun alle Organisationen der Zivilgesellschaft, die Politik begleiten, kritisieren und Alternativen vorschlagen, um ihre Gemeinnützigkeit fürchten.
Um eine plurale Gesellschaft, die Mitwirkung der Menschen am gesellschaftlichen Diskurs und eine informierte, engagierte Öffentlichkeit zu fördern, ist dringend eine Gesetzesänderung notwendig. Nur eine aktive Zivilgesellschaft kann Transparenz von der Politik einfordern, kann Lobbymacht öffentlich machen, kann Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am politischen Geschehen gewährleisten.
Der V. Senat im Bundesfinanzhof hat in der Revision des Klageverfahrens Attac Trägerverein ./. Finanzamt Frankfurt am 26. Februar 2019 sein Urteil veröffentlicht. Er hebt darin das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. November 2016 auf, das ohne Wenn und Aber die Gemeinnützigkeit von Attac bestätigt hatte, und verweist für ein neuerliches Verfahren – unter den Bedingungen des BFH – zurück an das Finanzgericht Kassel.
Der BFH urteilte im Revisionsverfahren nicht darüber, ob Attac gemeinnützig ist, sondern über die mit der Beurteilung zusammenhängenden rechtlichen Fragen.
Insbesondere bezieht sich der BFH auf die Definitionsbreite der beiden Satzungszwecke „Volksbildung“ und „Demokratisches Staatswesen“ (Abgabenordnung § 52). Hatte das Finanzgericht Kassel die Bedeutung der beiden Zwecke und die einzuordnenden Aktivitäten noch sehr weit gefasst, stutzt der BFH diese politisch weitsichtige Definition nun radikal zusammen: Eine gemeinnützige Körperschaft kann nur im Einzelfall auf tagespolitische Fragen eingehen, will sie ihre Gemeinnützigkeit behalten. Er stellt fest, dass die „Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung […] keinen gemeinnützigen Zweck erfüllt.“
Die zugrundeliegende Sachfrage darf der BFH nicht beantworten, nämlich ob Attac bei seinen Aktivitäten die Satzungszwecke verfolgt habe, oder aber ein eigenes politisches Programm verfolge. Die aktuelle Rechtssprechung sagt: Ein Eingehen auf politisch virulente Fragen sei dann in Ordnung, wenn es bei Einzelfällen bleibt und die Körperschaft stets und ausschließlich ihre Satzungszwecke verfolgt. Das Finanzamt Frankfurt behauptet, Attac würde nicht seine Satzungszwecke verfolgen, sondern selbst Politik zu machen versuchen. Dass dem nicht so ist, hat Attac in zahlreichen Schriftsätzen eindeutig dargelegt. Der BFH übernimmt aber, ohne selbst ein Mandat für eine Tatsachenfeststellung zu haben, die Behauptung des Finanzamts.
Nun erwarten wir, in einem nicht abschätzbaren Zeitraum, ein letztgültiges Urteil des Finanzgerichts Kassel, das sich in der rechtlichen Definition der Satzungszwecke nun an die Vorgaben des BFH halten muss. Formal bleibt dem Finanzgericht Kassel die Bewertung der Aktivitäten von Attac – in Inhalt und Tonfall lässt sich das BFH-Urteil allerdings als vorgreifend für ein negatives Urteil lesen.“
Quelle: Homepage von attac