Wie umgehen mit der AfD?

Es diskutierten: PD Dr. Volker Best (Regierungslehre), PD Dr. Jens Hacke (Politische Theorie), Prof. Dr. Andreas Petrik (Politikdidaktik), Prof. Dr. Johannes Varwick (Internationale Beziehungen) Moderation: PD Dr. Jana Windwehr Prof. Dr. Johannes Varwick

https://varwick.politik.uni-halle.de/ http://johannes-varwick.de/   / johannesvarwick  

Kapitel 0:00 Einführung 6:00 Ablauf 7:58 Statement Dr. Volker Best 12:55 Statement Dr. Jens Hacke 19:35 Statement Prof. Dr. Andreas Petrik 25:00 Statement Prof. Dr. Johannes Varwick 32:48 Panel-Fragerunde 1 49:02 Panel-Fragerunde 2 54:20 Panel-Fragerunde 3 01:04:40 Publikumsfragen 01:53:15 „2030 ist die AfD…?“ 01:55:00 Abspann

Wettlauf mit der Zeit – Nur die USA können den Friedensprozess vorantreiben

Quelle: IPG-Journal 04.12.2023 | Anatol Lieven

Wie Biden für Frieden in der Ukraine eintreten kann

Wettlauf mit der Zeit

Angesichts des Kriegsverlaufs wird ein Waffenstillstand für die Ukraine immer dringlicher. Doch nur die USA können den Friedensprozess vorantreiben.

Die ukrainische Offensive im Sommer und Herbst 2023 ist gescheitert. Es gab nur minimale Geländegewinne – bei enormen menschlichen Verlusten – und die durchschlagenden ukrainischen Erfolge von 2022 konnten nicht wiederholt werden. Der Oberkommandant der ukrainischen Armee, General Walerij Saluschnyj, räumte zuletzt ein, der Konflikt sei in eine Pattsituation geraten und inzwischen ein Stellungskrieg.

Zeitgleich rollt die nächste russische Gegenoffensive. Zwar kommen Moskaus Streitkräfte ebenfalls nur sehr langsam voran, doch die Zeit ist ein weiterer Feind für die Ukraine: Russland hat etwa das Vierfache der Bevölkerung der Ukraine sowie das Vierzehnfache ihres Bruttoinlandsprodukts. Das verschafft Moskau enorme Vorteile in diesem zu einem Zermürbungskrieg mutierten Konflikt. Die gravierenden Probleme in der US-amerikanischen und europäischen Rüstungsindustrie haben darüber hinaus dazu geführt, dass Russland weitaus mehr Granaten und Munition produziert, als die Ukraine vom Westen erhält.

Die Erfolge der Ukraine in den ersten Monaten des Krieges waren auf den Mut und die Entschlossenheit der ukrainischen Soldaten, einige besonders wirksame westliche Waffen und eine extrem schlechte russische Planung zurückzuführen. Außerdem konnte die Ukraine mehr Männer mobilisieren als Russland, weil Präsident Wladimir Putin zögerte, die Rekrutierung zu forcieren. Dieser einstige Vorteil hat sich nun aber ins Gegenteil verkehrt.

Wie die jüngsten politischen Entwicklungen im US-Kongress und in Europa zeigen, gibt es zudem keine Garantie dafür, dass die westliche Hilfe weiterhin in einem Umfang geleistet wird, der es der Ukraine ermöglicht, den Kampf erfolgreich fortzusetzen. Angesichts dieser Voraussetzungen gibt es keine realistische Aussicht, dass die Ukraine ihre derzeitige Position auf dem Schlachtfeld wesentlich verbessern können wird. Der Westen kann gegebenenfalls mehr Waffen liefern, aber er kann keine zusätzlichen ukrainischen Soldaten schaffen. Die Ukraine hat immer größere Schwierigkeiten bei der Rekrutierung, während Russland seine Reserven abruft und die Verteidigungslinien in der Süd- und Ostukraine ständig verstärkt.

Die Stimmen im Westen, die weiterhin einen „absoluten“ ukrainischen Sieg fordern, werden immer verzweifelter.

Die Stimmen im Westen, die weiterhin einen „absoluten“ ukrainischen Sieg fordern, werden immer verzweifelter. Ein Beispiel dafür ist der Vorschlag amerikanischer Veteranen, dass die Ukraine mit zusätzlichen US-Raketen Russland durch reine Bombardierung irgendwie dazu zwingen könne, die Krim zu verlassen. Eine solche Vorstellung widerspricht allem, was in der gesamten Menschheitsgeschichte des Krieges gelernt wurde. Um ein solches Ziel nachhaltig zu erreichen, bräuchte die Ukraine des Weiteren umfangreiche Amphibienverbände, über die sie schlichtweg nicht verfügt.

Ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen werden deshalb für die Ukraine immer dringlicher. Wenn die Kämpfe entlang der derzeitigen Frontlinien eingestellt würden, wären immerhin mehr als 80 Prozent der Ukraine völlig unabhängig von Russland (und erbittert mit Moskau verfeindet) und könnten ihr Bestes tun, um in die Europäische Union aufgenommen zu werden.

Angesichts der ursprünglichen Ziele, die der Kreml mit der Invasion im Jahr 2022 verfolgte, und der Geschichte der russischen Herrschaft über die Ukraine in den vergangenen 300 Jahren, wäre dies keine Niederlage für die Ukraine, sondern ganz im Gegenteil ein Sieg. Wenn der Krieg hingegen auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird, besteht die reale Gefahr, dass der ukrainische Widerstand zusammenbricht, sei es, weil schlicht und ergreifend die Mannstärke fehlt oder weil Russland mit seinen zusätzlichen Kräften erneut die Fronten in der Nordukraine eröffnen kann, von denen es sich im letzten Jahr zurückgezogen hatte – und die die Ukraine wohl nicht mehr verteidigen könnte.

Aus diesem Grund soll die US-Führung der ukrainischen Regierung insgeheim bereits geraten haben, Gespräche mit Russland aufzunehmen. Aus Sicht Kiews ist dies allerdings außerordentlich schwierig. Präsident Selenskyj und andere führende Beamte müssten ihre vorherigen Erklärungen revidieren, dass sie nicht mit Putin verhandeln und dass die einzige akzeptable Bedingung für ein (auch nur vorläufiges) Abkommen der vollständige Rückzug Russlands aus allen Gebieten ist, die seit 2014 besetzt wurden. Ultranationalistische Gruppen in der Ukraine setzen sich mit aller Macht gegen jeden Kompromiss ein. Darüber hinaus ist auch die russische Regierung derzeit nicht an einem vorläufigen Waffenstillstand interessiert, denn auch sie weiß, dass die Zeit für sie spielt.

Nur die US-Regierung kann ausreichend Druck auf die ukrainische Führung ausüben.

Unter diesen Umständen reicht es nicht aus, wenn Washington hinter den Kulissen auf Gespräche drängt, während öffentlich betont wird, nur die Ukraine könne einen Frieden aushandeln. Ebenso wäre es nicht klug, diplomatische Initiativen bis nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen in einem Jahr aufzuschieben, in der Hoffnung, dass sowohl die ukrainischen Streitkräfte als auch die US-Hilfe so lange durchhalten und dass eine peinliche Kehrtwende mitten im Wahlkampf vermieden werden kann.

Möglicherweise hält die Ukraine nämlich nicht so lange durch, und ein großer russischer Erfolg, also die Eroberung von noch deutlich mehr ukrainischem Territorium, würde die Regierung Biden vor die Qual der Wahl stellen: eine ukrainische Niederlage hinnehmen, was eine große Demütigung für die USA und die NATO wäre, oder mit einer direkten Intervention drohen und einen Atomkrieg mit Russland riskieren.

Wie die Katastrophe in Israel und Gaza zeigt, ist es außerdem unvernünftig, darauf zu vertrauen, dass eine inhärent instabile Situation wie das amerikanisch-russische Tauziehen um die Ukraine langfristig ausgeglichen bleibt. Jederzeit könnte ein versehentlicher Zwischenfall (beispielsweise) zwischen russischen und den US-amerikanischen Luftstreitkräften über dem Schwarzen Meer zu einem dramatischen Anstieg der Spannungen führen und sogar einen Atomkrieg auslösen. Selbst wenn das Schlimmste verhindert werden würde, hätte eine solche Krise neben menschlichen Opfern auch verheerende Auswirkungen auf die Welt- und die US-Wirtschaft.

Die USA müssen sich daher aktiv in den Friedensprozess einbringen. Nur die US-Regierung kann ausreichend Druck auf die ukrainische Führung ausüben und gleichzeitig einigermaßen glaubwürdige Sicherheitsgarantien für die Zukunft bieten. Im Gegenzug kann auch nur die US-Regierung Moskau glaubhaft androhen, dass die massive US-Militär- und Wirtschaftshilfe für die Ukraine fortgesetzt wird – und gleichzeitig dem Kreml Kompromisse in Fragen anbieten, die für Russland von entscheidender Bedeutung sind.

Die derzeitige Richtung des Krieges führt in die Katastrophe.

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.Die englische Originalversion des Artikels erschien zuerst bei Responsible Statecraft.

Aus dem Englischen von Tim Steins

phoenix plus: Die LINKE – Krise als Chance?

Historischer UN-Beschluss ebnet den Weg für demokratische Steuerrevolution

Attac Deutschland schreibt auf seiner Website:

„23. November 2023

Historischer UN-Beschluss ebnet den Weg für demokratische Steuerrevolution

Erstmals können alle Staaten gleichberechtigt ein globales Steuerabkommen aushandeln

Die UN-Generalversammlung hat gestern Abend in New York mit großer Mehrheit eine historische Resolution über die zukünftige internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen verabschiedet. Sie sieht vor, Verhandlungen über ein UN-Rahmenübereinkommen im Steuerbereich aufzunehmen. Damit können erstmals alle Staaten gleichberechtigt innerhalb der UNO über die künftige internationale Steuerpolitik und ein faires, globales Steuerabkommen verhandeln.

Bislang wurde internationale Steuerpolitik in der OECD, dem Club der Industriestaaten, verhandelt – obwohl diese kein globales Verhandlungsforum ist. Viele internationale Steuerregeln spiegeln daher die Interessen der Industrienationen wider – und nicht jene der Schwellen- und Entwicklungsländer.

Weniger Einfluss für finanzstarke Lobbygruppen

Für Attac ist die Resolution ein historischer Moment in der internationalen Steuerpolitik. „Wir erleben den Beginn einer demokratischen Steuerrevolution. Denn im Gegensatz zur OECD verlaufen die Verhandlungen in der UNO transparent und es sind alle Staaten beteiligt. Das stärkt die Rechenschaftspflichten der Regierungen gegenüber der Zivilgesellschaft und schwächt den Einfluss finanzstarker Lobbygruppen“, erklärt Karl-Martin Hentschel von der Attac-AG Steuern und Finanzmärkte.

Höhepunkt jahrelanger Bemühungen

Die UN-Resolution ist der vorläufige Höhepunkt langjähriger Bemühungen zahlreicher Staaten und der internationalen Zivilgesellschaft für eine Stärkung der UNO im Steuerwesen.

Der Beschluss wird von der Global Alliance for Tax Justice, hunderten internationalen Organisationen sowie einer Reihe prominenter Ökonom*innen, wie Joseph Stiglitz, Thomas Piketty oder dem Direktor des EU Tax Observatory, Gabriel Zucman, begrüßt. Auch zahlreiche deutsche NGOs hatten erst vergangene Woche einen Brief an die Regierung verfasst, mit der Forderung, die Resolution zu unterstützen.

OECD-Staaten, EU und Deutschland müssen sich endlich konstruktiv beteiligen

Heftiger Widerstand gegen eine Stärkung der UNO kam bis zuletzt von den OECD-Staaten, insbesondere von der EU und Großbritannien. Mit einer Ausnahme stimmten die OECD-Staaten geschlossen gegen die Resolution, darunter auch die EU-Staaten und Deutschland. Die Resolution wurde dennoch mit 125 zu 48 Stimmen und 9 Enthaltungen angenommen.

Um die globalen Steuerregeln weiter in ihrem Interesse innerhalb der OECD zu gestalten, versuchen die Industriestaaten leider seit Jahren den UN-Prozess zu torpedieren“, kritisiert Hentschel. „Die EU und damit auch Deutschland sind aufgefordert, sich endlich konstruktiv an einer Demokratisierung der internationalen Steuerpolitik zu beteiligen. Dies gilt umso mehr in Zeiten einer zunehmenden geopolitischen Fragmentierung.“

Das Mandat für das UN-Rahmenübereinkommen soll im Laufe des nächsten Jahres ausverhandelt werden. Dabei wird es darum gehen, die Themen einer kommenden UN-Steuerkonvention festzulegen: etwa die Besteuerung multinationaler Konzerne, Steuertransparenz oder die globale Besteuerung von Offshore-Vermögen. Die Resolution eröffnet die Chance für ein gerechtes globales Steuersystem, in dem Steuermissbrauch und Steuerbetrug endlich wirksam im Interesse aller Länder bekämpft werden.“