Ungleiche Beanspruchung des öffentlichen Raums durch die individuelle Automobilität

Der „ruhende“ Verkehr – und die Verteilung des öffentlichen Raums in unseren Städten

Wer kennt das nicht: zugeparkte Gehwege, Parkplatzsuche, kein Durchkommen für Rettungsfahrzeuge. Es ist offensichtlich: In den meisten Städten übersteigt der Bedarf an Pkw-Stellplätzen den vorhandenen Raum, und zwar unabhängig von der Stadtgröße. Parkende Autos dominieren das Erscheinungsbild der Straßen und beeinträchtigen ihre Funktionsfähigkeit. Diese „Übernutzung“ öffentlicher Straßenräume führt zu zahlreichen (Folge-)Problemen.

Die Verteilung der knappen öffentlichen Flächen beim „ruhenden“ Verkehr (= Parken; Abstellen) unter den einzelen Verkehrsarten ist extrem ungleich.

Die Forschungsgesellschaft Mobilität Austria (http://fgm.at/) hat einen Flächensplit für ruhenden Verkehr erhoben- Er dürfte„prinzipiell auf weite Teile Europas übertragbar sein.“ (Prof. Dr. Stephan Rammler, Volk ohne Wagen, 2017, S. 60): Radabstellflächen benötigen 2 Prozent, Verkehrsmittel des ÖPNV brauchen 3 Prozent und der ruhende Fußgängerverkehr verbraucht ebenfalls 3 Prozent (Straßencafés, Parkbänke etc.).

92 Prozent des öffentlichen Straßenraums werden für das Parken/Abstellen von PKWs benötigt.   

Ein Auto belegt im Stillstand 13,5 qm. Die 47,1 Mio. PKW in Deutschland (Stand 1.1.19) belegen – eng geparkt – eine Fläche von 635,85 Quadratkilometern (qkm). Das sind etwas mehr als zwei Drittel der Fläche der Stadt Berlin (900 qkm).

Im Schnitt stehen PKW mehr als 23 Stunden ungenutzt herum – im öffentlichen Raum, auf Parkplätzen von Firmen oder Privatpersonen.

Ein Drittel der Wege mit PKW in der Stadt werden für Parkplatzsuche verwendet.

Weltweit verursacht die Parkplatzsuche – laut der IBM-Studie Global Parking Survey 2011 – einen durchschnittlichen Zeitaufwand von 20 Minuten täglich.

Die genaue Zahl von Parkplätzen kann nur geschätzt werden. Laut Schätzung existieren in den Kernstaaten Westeuropas (EU-15) etwa 300 Millionen öffentliche Parkplätze. Davon sind über 80 Prozent im öffentlichen Raum. Eine Parkgebühr muss lediglich auf etwa 11 Millionen (3,6 Prozent) Abstellmöglichkeiten entrichtet werden.

Gleichzeitig werden jeden Tag kostbares Ackerland und Grünflächen versiegelt. Lt. Umweltbundesamt wurde in Deutschland von 1992 bis 2018 ca. 9.500 qkm Fläche überbaut (dies entspricht etwa der halben Fläche von Rheinland-Pfalz).

Fazit: Die weitere Steigerung der individellen Automobilität ist – unabhängig von der Antriebstechnologie – neben der ungleichen Beanspruchung des öffentlichen Raums aus vielerlei weiteren Gründen keine anstrebenswerte Option für die nötige Verkehrswende – sowohl national als auch international. Weltweit gibt es im Augenblick 1,318 Milliarden PKW. Jährlich kommen 100 Millionen weitere dazu, jede Sekunde drei weitere PKW.

Literatur: Hermann Knoflacher. Stehzeuge: Der Stau ist kein Verkehrsproblem. 2009.

Hermann Knoflacher: Wir sind vom Virus Auto befallen“ (YouTube-Video 27.11.15)

Hermann Knoflacher: Die Verkehrswende beginnt im Kopf (YouTube-Video 26.9.18)