Politische Haltung: Plötzlich Polizeipropagandist

Quelle: ZEIT online – von Hasnain Kazim  21. November 2021 (Auszug)

Politische Haltung: Plötzlich Polizeipropagandist

Unser nicht weißer Autor postet ein positives Erlebnis mit einem Polizisten – und erntet einen Shitstorm. Das ist nicht links, das ist sinnloser Krawall.

Vor ein paar Tagen bin ich mal wieder mit dem Zug von Österreich nach Deutschland gefahren. Und wie immer stiegen in Deutschland, nach dem Grenzübertritt, Bundespolizisten zu und kontrollierten die Reisenden. Ich habe es schon oft erlebt, dass ich selbst in vollen Abteilen der Einzige bin, der nach seinem Ausweis gefragt wird – meist dann, wenn ich der Einzige nicht weiße Fahrgast bin und mithin als „Ausländer“, „Migrant“, „Flüchtling“ wahrgenommen werde. „Racial profiling“ nennt man das, etwas, das es laut Auskunft der Polizei und der Innenministerien gar nicht gibt, das ich aber regelmäßig erlebe – und kritisiere.

Diesmal aber lief es anders ab. Ich beschrieb es auf Facebook und Twitter so:

„Bundespolizei steigt nach Grenzübertritt von Österreich nach Deutschland in den Zug. Sie kontrollieren nahezu alle. Bleibt ein junger Polizist bei mir stehen, sagt: ‚Sie sehen so aus, als würden Sie immer kontrolliert, stimmt’s?‘  Ich seufze. Polizist: ‚Gut. Aber heute nicht!‘  Lächelt, geht weiter. Manchmal habe ich Hoffnung.“

Auch das Gute benennen, wenn es passiert

Ich bin überzeugt, dass die meisten meine Schilderung – so wie ich – einfach als eine Szene empfanden, die zeigt, dass es auch mal anders, nämlich nett, freundlich, verständnisvoll geht. Tatsächlich hatte der Polizist, er war vielleicht Mitte 20, eine freundliche, wohlwollende Ausstrahlung, keineswegs demonstrierte er Überlegenheit oder Macht. Manche mögen das von mir geschilderte kleine Erlebnis dankbar als Beleg ergreifen, dass es doch gar nicht so schlimm bei der Polizei sei. Dass rassistische Vorfälle in der Polizei kein Problem oder nur Einzelfälle seien. Aber wer das denkt, den muss ich enttäuschen: Zweifellos gab und gibt es immer und immer wieder rassistische Vorfälle in der Polizei, und nein, sie sind leider keine Einzelfälle, sondern Teil eines strukturellen Problems. Das habe ich schon immer kritisiert und werde es auch weiterhin tun.

Zugleich ist aber auch nicht „die“ Polizei rassistisch, so wie auch nicht „die Bundeswehr“ rechtsextrem ist, ebenso wenig wie „die Muslime“ Terroristen oder „die Katholiken“ Kinderschänder sind. Ich finde, in einer zivilisierten Gesellschaft, in der wir Wert auf ein anständiges Miteinander legen, gehört es sich, auch das Gute zu sehen und zu benennen, wenn es passiert. Und dazu zähle ich diese kurze Begegnung mit dem jungen Polizisten.

Erinnerungen an Reaktionen im realen Leben

Um so fassungsloser macht mich das Ausmaß der Kritik, die sich schlicht daran entfesselt, dass ich es gewagt habe, etwas Freundliches über die Polizei zu schreiben. „Ist es nicht auch Othering, bewusst auf die andere Hautfarbe aufmerksam zu machen?“, schrieb eine Twitter-Nutzerin. Ein anderer kommentierte: „Ein Polizist der sich des Racial Profilings bewusst ist, wow wie krass cool omg wholesome uwuwuwuw“. Ein weiterer interpretierte die Haltung des Polizisten so: „Ich weiß dass ich dich jetzt rassistisch behandeln könnte, nur damit du das weißt – heute nicht, Kanacke“, schrieb er und fügte ironisch hinzu: „ich finde dafür sollte der polizist das bundesverdienstkreuz bekommen“.

Angesichts der leider gängigen Praxis, dass Menschen, die als fremd wahrgenommen werden, häufiger kontrolliert werden als andere, auch mit Blick auf die – oft ungeklärten – Todesfälle in Polizeigewahrsam und auf die rechtsextremen Netzwerke innerhalb der Polizei kann ich solche bitteren Gedanken sehr gut nachvollziehen. Und doch möchte ich nicht dahinkommen, in so einer Episode, die ich selbst als völlig harmlos, ja sogar freundlich erlebt habe, sofort die schlechtesten, bösesten Absichten zu unterstellen. Wie kommt man darauf, sofort zu unterstellen, dass der Polizist mich mit seinen Worten auch wieder nur ausgrenzen oder gar nur seine Macht demonstrieren wollte, um sich daraufhin gnädig zu zeigen?

Warum versuchen wir nicht alle, auch in einem Umfeld, dem man kritisch gegenübersteht, das zu sehen, was gut ist – ohne dabei seine kritische Haltung aufzugeben? Warum nicht die Selbstkritik, die man aus den Worten des Polizisten heraushören kann, anerkennen? Erreichen wir nicht nur so ein besseres Miteinander?

Statt es einfach mal stehen zu lassen: Hassbotschaften

Natürlich ist die Twitterblase nicht repräsentativ, und natürlich wäre es Unsinn, die vielen Tausend Kommentatoren unter meinem Tweet in einen Topf zu werfen. Und doch weckt das, was sich unter meinem Post abspielte, bei mir Erinnerungen an Reaktionen auch im realen Leben, wenn ich oder jemand anderes es wagt, Pauschalabwertungen etwa der Polizei entgegenzutreten – und sei es nur in Nuancen.

Statt es einfach mal stehen zu lassen, überboten sich viele Kommentatoren mit ihren Hassbotschaften. „die sechzehntausend user die diesen tweet geliked haben sind bei ACAB mitgemeint“, schrieb ein Twitter-User, als der Tweet sechzehntausend Likes zählte. „ACAB“, damit meint er das Akronym für „All cops are bastards“, wörtlich „Alle Polizisten sind Bastarde“, sinngemäß „Alle Bullen sind Schweine“.

Ein anderer kommentiert öffentlich: „Kanaken, die sich Jounalisten und Autoren schimpfen, machen kostenlose ’not all pigs‘ Propaganda, nachdem Giorgos Zantiotis nach einer brutalen Festnahme in Wuppertal in Polizeigewahrsam gestorben ist“. Das steckt gleich alles drin: rassistische Beleidigung gegen mich, meine Eignung für meine berufliche Tätigkeit infrage stellend und unterstellend, dass ich den Todesfall in Wuppertaler Polizeigewahrsam verharmlosen würde. Dabei hatte ich zuvor öffentlich kritisiert, dass Anfang November der 25-jährige Giorgos Zantiotis in Polizeigewahrsam gestorben war und die Polizei Wuppertal das erst sechs Tage später, nach öffentlichem Druck, bekannt machte, nämlich erst nachdem das griechische Infoportal Indymedia ein Video von seiner brutalen Festnahme veröffentlicht hatte. Später versuchten Polizei und Staatsanwaltschaft sich damit herauszureden, es habe sich um einen „internistischen Notfall“ gehandelt, der „nicht medienrelevant“ gewesen sei. Selbst wenn es bislang keinerlei Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Polizei für den Tod verantwortlich ist: Natürlich muss sofort und immer höchste Transparenz gewährleistet sein.

Aber weil ein paar Tage später ein Beamter bemerkenswert freundlich zu mir ist und ich das beschreibe, gelte ich plötzlich als Polizeipropagandist. Andere wollen das, was ich im Zug erlebt habe, nicht wahrhaben: „Zu meiner schulzeit haben wir sowas mit ‚wer das glaubt wird selig‘ kommentiert“, schreibt einer. Und gleich mehrere bemühen den Ausdruck „Paulanergarten!“ – ein Wort, das sonst in rechten Kreisen benutzt wird, um den Wahrheitsgehalt missliebiger Aussagen infrage zu stellen („Geschichten aus dem Paulanergarten“). Das heißt also so viel wie: Ich hätte die Geschichte erfunden, um die Polizei in einem besseren Licht dastehen zu lassen.

Wer nicht hundertprozentig ihrer Meinung ist, wird verbal rundgemacht

Warum sollte ich das tun? Ausgerechnet ich, der ich rechtsextremistische Umtriebe seit Jahren immer wieder kritisiere, dafür angefeindet werde und regelmäßig Beleidigungen und leider auch immer wieder Morddrohungen erhalte?

Man mag nun einwenden, es handele sich doch nur um eine kleine Minderheit, die so rede. Eine Minderheit, gewiss. Aber eine sehr laute, aggressive. Eine oft undurchsichtige Melange, die man überall in den sozialen Medien antrifft und die zur Polarisierung beiträgt, die gelegentlich wichtige Debatten anstößt und alte (Macht-)Strukturen infrage stellt, was gut ist. Die aber bisweilen auch einschüchtert, ausgrenzt, destruktiv ist – auch gegenüber jenen, die für dieselbe Sache kämpfen. Wer nicht hundertprozentig ihrer Meinung ist, wird verbal rundgemacht. Es ist ein selbstbewusstes Nichtdifferenzieren, ein absichtliches Missverstehen, ein genussvolles Beleidigtsein und Sich-angegriffen-fühlen, das man sonst bei Rechtsextremisten und Islamisten kennt: Man macht in dem anderen einen Feind aus und muss ihm partout nicht mehr zuhören.

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Wann ist ein Mann ein Mann? Susanne Kaiser über politische Männlichkeit | Suhrkamp DISKURS #13

Wann ist ein Mann ein Mann? Susanne Kaiser über politische Männlichkeit | Suhrkamp DISKURS #13 – 1.318 Aufrufe – Premiere am 20.02.2021 Suhrkamp Verlag 

Kurz vor der Amtseinführung Joe Bidens haben uns die erschütternden Bilder vom Sturm auf das Kapitol in Washington erreicht. Was auffiel: Fast nur Männer waren auf den Bildern zu sehen. Das ist, laut Susanne Kaiser, Journalistin und Autorin des Buchs »Politische Männlichkeit«, kein Zufall. Der Vorfall in Washington ist nur eines der unzähligen Beispiele dafür, wie sich politische Männlichkeit in der heutigen Zeit manifestiert.

Warum aber findet rückwärtsgewandte Politik wieder Wähler und warum möchten sie das Patriarchat um jeden Preis aufrechterhalten? Und wie wichtig ist die argumentative Überschneidung von Antifeminismus und Rassismus für die Politisierung unzufriedener Männer?

Susanne Kaiser spricht mit Moderatorin Simone Miller über ihr aktuelles Buch »Politische Männlichkeit – Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobil machen« und erklärt unter anderem, warum die Frau als Feindbild nicht nur Versatzstück, sondern das Herzstück des autoritären Backlash ist.

Informationen zum Buch: http://shrk.vg/Kaiser-Diskurs-V

Bei »Suhrkamp DISKURS« spricht jeweils eine Autorin oder ein Autor unseres Verlags mit wechselnden Moderatoren über ein ausgewähltes Thema und ihr bzw. sein aktuelles Buch. Hierbei geht es nicht nur darum, einen Einblick in das Buch zu bekommen, sondern das Gespräch gilt auch dem Nachspüren eines Themas, das Teil der aktuellen gesellschaftlichen Debatte ist.


Das Phänomen der Politischen Männlichkeit | Susanne Kaiser | Autorin | SWR1 Leute – 4.239 Aufrufe – 12.04.2021

„Sie ist Journalistin, Buchautorin und politische Beraterin. Sie schreibt u.a. für die ZEIT und den SPIEGEL. Ihre Schwerpunktthemen: Die arabische Welt und Nordafrika. Der Islam und seine Folgen für Deutschland und andere westliche Länder. Und die Renaissance männerdominierter Gesellschaften. Susanne Kaiser interessiert sich für Gesellschaften, die sich verändern, und Machtverhältnisse, die sich verschieben. Sie recherchierte, warum junge Deutsche zum Islam konvertieren und warum junge Männer sich in ihrem Hass auf Frauen so radikalisieren, dass sie – wie in Halle und Hanau – Amok laufen. Moderation: Wolfgang Heim“


Politische Männlichkeit110 Aufrufe – Live übertragen am 01.10.2021 – Stadtbibliothek Stuttgart: Live aus dem Forum – 

Vortrag mit Gepräch Moderation: Katharina Thoms | Woher kommt die neue Lust an autoritären Bewegungen, die sich seit einiger Zeit im Aufwind befinden – überall auf der Welt? Von Neuseeland bis Kanada, von Brasilien bis Polen vernetzen sich Rechtspopulisten und Rechtsextreme, sogenannte Incels und Maskulinisten, aber auch christliche Abtreibungsgegner und Fundamentalisten unter dem Banner der Männlichkeit, um Frauen auf einen untergeordneten Platz in einer angeblich natürlichen Hierarchie zurückzuverweisen. „Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken“, appellierte etwa der AfD-Politiker Björn Höcke an den deutschen Mann und konnte auf diese Weise viele Wählerstimmen mobilisieren. Das ist kein Zufall:

Der autoritäre Backlash, den wir seit einiger Zeit erleben, ist männlich, so die These des Buchs Politische Männlichkeit. Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen. In ihrem Vortrag zeigt Susanne Kaiser, wie sich unterschiedliche autoritäre Gruppierungen vernetzen, ihre Ideologien untereinander anschlussfähig machen und gemeinsam ihren Hass auf Frauen organisieren.

„Get ready for Trump 2024“ Stillhalten, keine Demokraten aufscheuchen!

Quelle: n-tv.de

Von Roland Peters – 14. November 2021

„Get ready for Trump 2024“ Stillhalten, keine Demokraten aufscheuchen!

Wie kommen die Republikaner zurück an die Macht? Eine Milliardärin trifft sich zu dieser Frage in Las Vegas mit führenden Konservativen und möglichen Präsidentschaftskandidaten. Trump hält sich so weit wie nötig zurück, hat aber seine Finger bereits entscheidend im Spiel.

Seinen Wahlkampfspruch aus dem vergangenen Jahr, den könne er aber nicht mehr benutzen, sagt Donald Trump. „Keep America Great“, das funktioniere nicht: „Mit all den Dingen, die derzeit in diesem Land geschehen, ist Amerika momentan nicht great. Amerika ist unter Belagerung.“ Die Zuhörer bei einem Treffen in Mar-a-Lago in der vergangenen Woche, darunter einige Kongressmitglieder sowie ehemalige Minister, jubeln und applaudieren. Sein Slogan brauche vielmehr ein Update, er müsse „Make America Great Again, Again“ lauten. „Ihr denkt, ich mache Witze“, schiebt Trump nach, „aber das tue ich nicht. Das tue ich nicht.“

Offiziell ist noch nichts angekündigt, aber der Mann, der vom Weißen Haus aus vier Jahre lang die Welt in Atem hielt, kokettiert schon seit seiner Niederlage gegen Joe Biden immer wieder mit seiner Rückkehr. Der Ex-Präsident dürfte sich nicht alleine um die Kandidatur bewerben. Einflussreiche Köpfe im konservativen Universum rücken bereits ihre Spielsteine und wägen ab, wer die für die Partei die beste Wahl wäre. Irgendjemand soll schließlich die Demokraten aus dem Weißen Haus vertreiben. Dabei wird mindestens mittelfristig gedacht. Zwar stehen im kommenden Jahr zunächst die Kongresswahlen an. Die bestimmen mit, wie viel Macht ein möglicher republikanischer Wahlsieger 2024 hätte. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt. Im Senat, so ist das in der US-Politik, werden die meisten entscheidenden Daumen für die Zukunft gesenkt oder gehoben.

Trump mischt in diesem Spiel auf breiter Front mit und wirft seinen Namen für andere in den Ring. Öffentlich unterstützt er bereits jetzt 14 Kandidaten für den Senat und 11 fürs Repräsentantenhaus, die alle 2022 antreten. Dazu kommen mehrere Verbündete, die Gouverneure von US-Bundesstaaten werden wollen. „Er wird nicht verschwinden“, wird Ned Ryun, ein Verbündeter Trumps, sowie Gründer und Chef von „American Majority“, eine konservative Trainingseinrichtung für Kandidaten und Aktivisten, in „The Hill“ zitiert: „Get ready for Trump 2024.“

Ex-Präsident und Präsident gleichauf

Warum Trump noch hinter dem Berg hält mit einer Entscheidung über seine eigene Kandidatur, dies hat laut „Washington Post“ mit seinen Beratern und Wegbegleitern zu tun. Die hätten ihm davon abgeraten, seine Kandidatur 2024 vor den Wahlen im kommenden Jahr zu erklären. Sie befürchten, eine verfrühte Ankündigung könnte unnötig zusätzliche Wähler der Demokraten mobilisieren, damit die Erfolgsaussichten republikanischer Kongresskandidaten gefährden und somit auch Mehrheiten für eine mögliche erneute Präsidentschaft.

Dämpfer für Biden Republikaner gewinnen Gouverneurswahl in Virginia

Das könnte natürlich auch bei der Präsidentschaftswahl geschehen – so wie 2020 im Duell mit Biden, der vor allem gewählt wurde, weil er nicht Trump war. Dessen mediales Dauerfeuer und extreme Polarisierung hatte sogar die mediengestählte US-Wählerschaft ermüdet, aber zugleich so viele Menschen zur Wahl bewegt wie nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Die meisten davon wollten ihn loswerden. Nun sind sich die registrierten Wähler nicht mehr so sicher: 45 Prozent würden für Trump stimmen, 43 Prozent für Biden und 11 Prozent für einen anderen Kandidaten, stellte zuletzt eine Umfrage des Emerson College fest. Die Fehlertoleranz sind 3 Prozentpunkte.

Die Demokraten hatten bei ihrem Wahlsieg auch von Bidens bekanntem Gesicht und dessen Ankündigung profitiert, ohne Trump im Weißen Haus werde alles wieder so wie früher. Aber der öffentliche Ton ist rau geblieben, die Inflation frisst die Gehälter auf und die Pandemie ist weiterhin allgegenwärtig. Nach weniger als einem Jahr Präsidentschaft ist Biden nicht mehr besonders beliebt. Derzeit sind nur 42,8 Prozent der US-Amerikaner mit ihm zufrieden, schlechter als er schnitt historisch gesehen zum gleichen Zeitpunkt in einer ersten Amtszeit nur Trump ab.

Für die Demokraten ist das nur einer von vielen haarsträubenden Fingerzeigen auf die mögliche Zukunft. Spätestens seit den Gouverneurswahlen in den Bundesstaaten Virginia und New Jersey vor zwei Wochen schrillen bei der Regierung und anderswo sämtliche Alarmglocken. Die Republikaner haben die Kontrolle in Virginia übernommen, während sie in New Jersey, wo es kaum für möglich gehalten wurde, dem Gouverneursamt sehr nahekamen. Die Wahlen waren ein Stimmungstest für die Kongresswahlen 2022. Bei sämtlichen Entscheidungen schnitten die Republikaner besser ab als prognostiziert.

Strategische Treffen in Las Vegas

Eine verlässliche Liste über Bewerber auf die Präsidentschaftskandidatur 2024 gibt es selbstredend so lange vorher nicht. Aber es gibt Hinweise. So etwa von der „30-Milliarden-Dollar-Frau“ Miriam Adelson, wie „Politico“ die Witwe eines der wichtigsten republikanischen Unterstützer nennt. Mehr als eine halbe Milliarde Dollar flossen im vergangenen Jahrzehnt von „Königsmacher“ Sheldon Adelson an die Republikaner. Für Trumps Wahlkampf im vergangenen Jahr kam die größte Einzelspende vom Ehepaar aus Las Vegas.

Im Januar war der Kasinomogul gestorben, danach hatte sich die 75-jährige Witwe in Sachen Politik zurückgehalten. Doch Miriam Adelson will offenbar da weitermachen, wo sie und ihr Mann vor dessen Tod aufgehört hatten. Die Milliardärin traf sich vor Kurzem in ihrem Zuhause in Las Vegas mit Köpfen der republikanischen Partei. Sie beriet mit Kevin McCarthy, Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, sowie mit Senator Rick Scott, dem Chef des Wahlkampfkomitees für den Senat. Als mögliche Präsidentschaftskandidaten, die bei ihr aufwarteten, werden genannt: Ex-Außenminister Mike Pompeo, die frühere UN-Botschafterin Nikki Haley, Ex-Vizepräsident Mike Pence, Senator Ted Cruz aus Texas sowie Floridas Gouverneur Ron DeSantis.

Dies unterstreicht, dass Trump nicht die beste Wahl für die Republikaner sein muss. Der Ex-Präsident wird geliebt oder gehasst, dazwischen gibt es wenig. Tatsächlich behauptet er noch immer, die Wahl sei ihm gestohlen worden, was seine Anhänger elektrisiert. Es gibt weite Teile der US-Bevölkerung, die jubeln würden über eine erneute Kandidatur, die in Biden und den Demokraten die ultimative Bedrohung des amerikanischen Traums sehen und in Trump eine Möglichkeit, ihrer Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die nie existiert hat, irgendwie Ausdruck zu verleihen.

Trump ist als politische Kraft felsenfest etabliert und wäre damit wesentlich besser vorbereitet als 2016, als er mit einem Außenseiterteam und begrenzter Unterstützung die US-Politik aufrollte. Er hat unter anderem eine Denkfabrik mit dem fast schon unverwechselbaren Namen „America First Policy Institute“ hinter sich, dazu kommt die Wahlkampforganisation „Save America“, gegründet im vergangenen Monat. Laut dessen Angaben haben bereits fast eine Million Menschen der Organisation Geld überwiesen. Sie unterstützt Politiker, die „bewiesen haben, Kämpfer der MAGA-Bewegung und von Präsident Trumps vielen Errungenschaften zu sein“, schrieben die Gründer. MAGA, das steht für Trumps ersten Slogan, Make America Great Again.

Glühender Trump-Verehrer QAnon-Anhänger bewirbt sich für Kongress

Trumps Führungsanspruch bleibt fast exklusiv, auch wenn er immer mal wieder versichert, es gehe um die Partei, nicht um ihn. Mit seinem „Für mich oder gegen mich“-Prinzip hat er die Republikaner ohnehin bereits gespalten: seine Unterstützer und solche, die mit Stil und Inhalten des Ex-Präsidenten hadern. Die das öffentlich tun, haben nicht viel zu lachen. Um sich trotz seines weitreichenden Einflusses weiterhin als Außenseiter zu präsentieren, der die einzige Option gegen den „Sumpf“ in Washington sei, attackiert Trump immer wieder den Fraktionsführer im Senat, Mitch McConnell – das verkörperte republikanische Establishment in der Hauptstadt, das sich von der Basis entfernt habe.

Da wären aber auch die zehn Republikaner im Repräsentantenhaus, die nach dem Sturm aufs Kapitol mit den Demokraten für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gestimmt hatten. Die Abgeordnete Liz Cheney wurde auf Druck des Trump-Flügels von ihren Führungsposten entfernt. Adam Kinziger, ein gemäßigter Republikaner, votierte ebenfalls für das Verfahren. Der Veteran aus Illinois tritt nach zwölf Jahren nicht wieder an und begründete dies mit der extremen Polarisierung in der Politik: „Um zu bestehen oder zu überleben, muss man zum Stamm gehören.“ Auch Anthony Gonzalez aus Ohio stimmte für das Impeachment und tritt nicht wieder an. „Zwei weg, fehlen acht!“, kommentierte Trump.

Impfskepsis: Wie überzeugt man Impfunwillige=

Von Jan Schweitzer November 2021 1.169 Kommentare

Aus der ZEIT Nr. 47/2021

Impfskepsis: Wie überzeugt man Impfunwillige?

Diese Frage stellen sich gerade viele Menschen. Ihre Wut auf die Skeptiker wächst. Eine Argumentationshilfe gegen die häufigsten Vorbehalte

 Übersicht:

„Es stecken sich lauter Geimpfte an – das spricht nicht gerade für die Spritze“

Bei den explodierenden Infektionszahlen könnte man das denken. Tatsächlich nimmt die Zahl der Impfdurchbrüche zu. Das aber war zu erwarten. Denn die Impfungen schützen mit der Zeit nicht mehr so gut vor einer Infektion. Der Impfstoff von BioNTech hat nach fünf Monaten noch eine Effektivität von etwa 50 Prozent, wie eine amerikanische Studie zeigte.

Corona: Die Impfung

 Funktionsweise der Corona-Impfstoffe: So schützt die Impfung vor dem Coronavirus

Corona trotz Impfung: Die Angst vor dem Impfdurchbruch

Aber – und das ist entscheidend – die Impfungen schützen immer noch sehr effektiv davor, so schwer zu erkranken, dass man auf einer Intensivstation behandelt werden muss. Viele Kliniken berichten, dass sie ausschließlich ungeimpfte Corona-Patienten beatmen müssen.

Wer geimpft ist, tut etwas für sich selbst und gegen die Pandemie. Das sieht man auch am Beispiel besonders betroffener Bundesländer wie Sachsen: Die Sieben-Tage-Inzidenz der nicht (vollständig) Geimpften steigt dort rapide und liegt bei über 1700, die der vollständig Geimpften liegt bei etwa 60 – und sinkt seit Tagen. Das alles spricht eindeutig für die Spritze.

„Mein Immunsystem ist stark genug, um mit dem Virus klarzukommen“

Sich darauf zu verlassen ist riskant – egal, wie fit man ist. Immerhin befinden wir uns in einer Pandemie, in der ein neues Virus zirkuliert, von dem wir immer noch nicht genau wissen, was es im Körper alles anrichtet.

Außerdem haben wir die Möglichkeit, das Immunsystem noch fitter zu machen: durch die Impfung. Sie schärft die Abwehrkräfte gegen einen Feind, mit dem es zuvor noch keinen Kontakt hatte.

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Corona-Impfung – Wie Impfmythen für uns alle zum Problem werden können Zu schnell entwickelt, ein Geschäft für Big Pharma, viel zu riskant: Solche Bedenken und Mythen sind Teil der Impfdebatte. Was ist da wirklich dran? Ein Erklärvideo

Diese Unkenntnis unseres Körpers ist der Grund, warum das Virus so leichtes Spiel hat, warum es sich so gut ausbreiten kann, sogar unter jungen und gesunden Menschen. Selbst wenn bei ihnen das Risiko einer schweren Infektion gering ist – es ist nicht gleich null. Und auch langfristige Folgen einer Infektion können das Leben beeinträchtigen. Schwere Nebenwirkungen bei der Impfung hingegen sind äußerst selten. Warum also sollte man sich nicht vor einer Erkrankung schützen, die einen auf die Intensivstation bringen könnte?

„Über die Langzeit-Nebenwirkungen wissen wir ja noch gar nichts“

Doch, das Entscheidende wissen wir: Bislang ist bei keiner anderen Impfung – etwa gegen Masern, Mumps, Röteln und viele andere Krankheiten – nach längerer Zeit (also nach vielen Monaten oder Jahren) eine Nebenwirkung bekannt geworden. Es kann aber zu einem Missverständnis kommen: Wenn eine Nebenwirkung extrem selten ist, wird sie erst dann als solche erkannt, wenn eine hohe Anzahl an Menschen geimpft wurde. Das kann nach Monaten oder Jahren sein. Die Nebenwirkung ist also keine Langzeitfolge – sondern sie ist erst dann aufgefallen.

Die wichtigsten Corona-Zahlen Aktualisiert heute, 19:20 Uhr

Quellen: Kreis- und Landesbehörden, Robert Koch-Institut, Divi Intensivregister, Johns-Hopkins-Universität, Our World in Data

Weitere Corona-Daten:

Gegen Corona sind inzwischen mehr als sieben Milliarden Impfdosen verabreicht worden und mehr als drei Milliarden Menschen sind vollständig geimpft. Bei dieser hohen Anzahl an Impflingen hätte man die allermeisten seltenen Nebenwirkungen längst bemerkt, zumal die Behörden alles sehr genau beobachten. Zwei solcher seltenen Nebenwirkungen sind auch schon entdeckt: Herzmuskelentzündungen vor allem bei jungen Männern und Thrombosen in den Hirnvenen insbesondere bei jüngeren Frauen.

„Dieses neue mRNA-Zeug ist mir suspekt. Wer weiß, was das im Körper anrichtet“

So neu ist die Technologie nicht. Und eine mRNA greift auch nicht ins Erbgut ein, wie viele meinen. Als Arzneimittel wird sie seit Jahren erprobt, etwa gegen Krebs. Und als Vakzine hat die mRNA einen großen Vorteil: Der Stoff kann derart rein hergestellt werden, dass in einer Impfdosis auch wirklich nur das drin ist, was reingehört. Manche Experten bezeichnen andere Impfstoffe im Vergleich dazu sogar als „Brühe“, obwohl diese seit Jahrzehnten angewandt werden und äußerst sicher sind.

Durch die Reinheit der mRNA-Impfstoffe kann man gewiss sein, dass sie nur eine einzige Aufgabe erfüllen: Sie sorgen dafür, dass die Zellen ein Protein in ihre Oberfläche einbauen, das charakteristisch für das Coronavirus ist. Darauf springt das Immunsystem an: Jetzt hat es seinen Feind kennengelernt und kann ihn vernichten. Und genau das tut es auch irgendwann mit den Zellen, die die mRNA enthalten und äußerlich dem Coronavirus ähneln – wenn die mRNA nicht ohnehin schon vorher von der Zelle abgebaut wurde.

„Die Impfung stört nicht nur den Zyklus, sie kann sogar unfruchtbar machen!“

Tatsächlich kann der Zyklus nach einer Impfung unregelmäßig sein, zumindest eine Zeit lang. Das zeigen vor allem Beobachtungen aus anderen Ländern. Man kennt dieses Phänomen schon von anderen Impfungen und auch von Infektionen: Wenn das Immunsystem aktiv wird, wirkt das auf den Körper wie eine Form von Stress. Dann kann die Menstruationsblutung schon mal ausfallen oder später einsetzen. Mit der Zeit normalisiert sich der Zyklus wieder. Hinweise darauf, dass Frauen durch die Impfung unfruchtbar wurden, gibt es dagegen bislang gar nicht.

„Es gibt Menschen, die nach ihrer Impfdosis gestorben sind“

In Deutschland sterben jeden Tag etwa 2500 Menschen, davon mehr als 500, die älter als 80 Jahre sind. Dass sich darunter auch Menschen befinden, die kurz zuvor geimpft wurden, ist statistisch zu erwarten. Wenn also dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bis Ende September mehr als 1800 Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet wurden (das PEI sammelt solche Meldungen und ordnet sie ein), lautet die entscheidende Frage: War die Impfung auch die Ursache für den Tod? Einfach zu beantworten ist sie, wenn jemand fünf Tage nach dem Piks bei einem Unfall ums Leben kommt. Schwerer wird es, wenn die Todesursache unklar ist: War es dann nur Zufall, dass der Tod auf die Impfung folgte? Zu klären ist das nur mit größerem Aufwand, statistischen Berechnungen etwa oder rechtsmedizinischen Untersuchungen. Zur Einordnung: Das PEI gibt an, dass bis Ende September weniger als 50 Menschen an einer Impfung gestorben sind – bei bis dahin über 50 Millionen geimpften Menschen. Das sind 0,0001 Prozent.

10 Fragen zur Corona-Lage Infobox

10 Fragen zur Corona-Lage

Antworten aus Politik …

… und Wissenschaft

Wer mehr Informationen sucht, findet sie auf den Seiten des RKI, des PEI und auf zusammengegencorona.de
Korrekturhinweis: In einer früheren Fassung dieses Textes steckte im letzten Punkt ein Rechenfehler. Dies haben wir korrigiert

Kurzfilmserie auf ARTE über Gewalt gegen Frauen: Zuschauen tut weh

Quelle: taz vom 12.11.2021

Kurzfilmserie über Gewalt gegen Frauen: Zuschauen tut weh

„H24“ beleuchtet Gewalt im Alltag von Frauen. Die Arte-Serie beruht auf wahren Geschichten. Vieles hat man so ähnlich schon gehört – oder erlebt.

24 Autorinnen, 24 Schauspielerinnen, 24 Kurzfilme: die ARTE-Dokumentarserie „H24“ führt in Episoden à vier Minuten durch Unterdrückung, Femizid, Rachepornos, sexistische Kleiderordnung und Vergewaltigung. Die Filme spielen jeweils zu einer anderen Uhrzeit und bilden so einen kompletten Tag ab – 24 Stunden im Leben einer Frau. Ein feministisches Manifest, das die vielen Formen der Gewalt beleuchtet, denen Frauen zu jeder Tages- und Nachtzeit potenziell ausgesetzt sind.

„Alles fing damit an, dass wir die Nase voll hatten von der allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen“, sagt Nathalie Masduraud. Zusammen mit Valérie Urrea hat sie die Kurzgeschichten kuratiert und bei der Verfilmung Regie geführt. Gezeigt werden 24 Mosaike, Einzelschicksale, die das Gesamtbild eines systematischen Übels zeigen. Über die ganze Bandbreite der Gewalt hinweg. 7 Uhr: die Frau, die früh am Morgen im Bus einschläft und von ihrem Sitznachbarn bedrängt wird. 15 Uhr: die Schülerin, die verstört nach Hause kommt und ihrer Mutter erzählt, ihre Klassenkameraden hätten sie „Schlampe“ genannt. 19 Uhr: die Studentin, die vor einem vollen Hörsaal von ihrem Professor gedemütigt wird. 0 Uhr: die Schwangere, die auf der Rückbank eines Polizeiautos sitzt. Sie wurde von ihrem Mann geschlagen, Nachbarn haben Hilfe gerufen.

Es sind Geschichten, von denen wir alle schon einmal gehört oder sie selbst erlebt haben – und gerade das macht ihr Erzählen so wichtig.

Die Szenen ergeben sich aus Fällen, über die medial viel berichtet wurde. Zum Beispiel die Geschichte einer jungen Migrantin. Sie erinnert sich an die beiden italienischen Richterinnen, die der Auffassung waren, sie sei zu maskulin, um vergewaltigt worden zu sein. Nicht hübsch genug – nicht glaubwürdig. Auch Frauen verinnerlichen die Regeln des Patriarchats. Andere Folgen beruhen auf Aussagen und Erlebnissen. Im Abspann jeder Episode erscheinen die Worte „inspiriert von wahren Gegebenheiten“ wie ein Mahnmal.

„H24“ läuft in der ARTE-Mediathek.