Corona-Krise: Wie hängen Pandemie, Umweltzerstörung und Klimawandel zusammen?

Quelle: Bundeszentrale für Politische Bildung

Die Zerstörung intakter Ökosysteme und der Klimawandel spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung neuartiger Viruserkrankungen wie Sars-CoV-2. Ein Interview mit dem Tropenmediziner Jonas Schmidt-Chanasit über den Ursprung des Virus und den Kampf gegen Pandemien.

bpb.de: Geben Sie uns bitte eine kurze Geburtsgeschichte des Coronavirus – wie und wo ist das Virus entstanden?

Jonas Schmidt-Chanasit: Nach allem, was wir wissen, und da müssen wir leider sehr vorsichtig sein, da wir immer noch unterschiedliche Spuren verfolgen, stammt das Virus von einer Fledermaus (Hufeisennasen). Unklar ist, ob das Virus direkt von der Fledermaus auf den Menschen übergesprungen ist oder noch ein Zwischenwirt, zum Beispiel ein Marderhund, dazwischengeschaltet war. Eindeutig ist, das Virus hatte seinen Ursprung in China und die ersten Infektionen sind dort bereits im November letzten Jahres aufgetreten. Viele Analysen weisen darauf hin, dass das Virus nicht schon Monate vorher auf den Menschen übergesprungen ist. Es handelt sich also um einen zoonotischen Erreger. Das sind Erreger, die von Wirbeltieren auf den Menschen übertragen werden.
Das Bild zeigt einen Porträtausschnitt des Virologen Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit. Er trägt ein blaues Hemd. Er hat einen Dreitagebart und eine Glatze. Sein Blick ist auf die Kamera gerichtet.Der Virologe Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit (© privat)

Und hat sich der Erreger seit der ersten Übertragung auf den Menschen verändert?

Viren verändern sich per se erst einmal immer. Es gibt bestimmte Mutationsraten, die bei den RNA-Viren meist etwas höher als bei den DNA-Viren sind.[1] Ein gut erforschtes DNA-Virus ist das Herpesvirus, das uns quasi ein Leben lang begleitet. RNA-Viren, wie das neue Coronavirus, haben eine höhere Mutationsrate. Was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass sich diese Viren so verändern, dass sie zu schwerwiegenden Krankheiten führen oder leichter übertragbar sind. Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass sich das neue Coronavirus – der korrekte Name ist Sars-Corona-Virus-2 – in dieser Hinsicht verändert hätte. Es gibt weit über 4000 Genomsequenzen dieses neuen Virus in den Datenbanken (z.B. in der GenBank). Jeden Tag kommen neue hinzu. Insofern haben wir in Echtzeit im Blick, wie dieses Virus mutiert.

Worin unterscheiden sich die Erreger SARS-CoV-2, SARS-CoV-1 und MERS-CoV?

Sie gehören alle zur großen Familie der Coronaviren. Unter ihnen existiert eine ganze Reihe von Viren, die sich nur bei Tieren, hauptsächlich Fledermäusen nachweisen lassen. Innerhalb dieser Vielfalt gelingt es einigen Vertretern auf den Menschen überzugehen. Das ist beim Sars-Ausbruch 2002/2003 das letzte Mal passiert und jetzt beim Coronavirus erleben wir es erneut. Auch in Zukunft ist damit zu rechnen, dass es verwandten Coronaviren gelingt, den Menschen als neuen Wirt zu „erobern“, wenn wir die Übertragung nicht verhindern können. Also Abstand halten zu diesen Wildtieren.

Welche anderen Beispiele gibt es für Krankheiten, die auf die Zerstörung des Lebensraums von Wildtieren zurückzuführen sind?

Ein ganz typisches Beispiel – das Ebolavirus. Hier hat der Mensch massiv in den Lebensraum der Wildtiere eingegriffen, ihn vernichtet, indem er Plantagen angelegt hat oder Massentierhaltung betreibt. Deshalb gelingt es Erregern, die normalerweise in abgeschlossenen Ökosystemen leben, dort auf den Menschen oder auf das Nutztier überzuspringen und somit größere Infektionsketten zu initiieren. Gerade in der letzten Woche sind wieder neue Fälle vom Ebola-Virus in der Demokratischen Republik Kongo aufgetreten.

Es geht also ein virologisches Risiko von der Abholzung der letzten tropischen Urwälder, die ja die letzten großen Wildtierhabitate sind, aus.

Überall dort, wo Wildtiere aus ihren angestammten Habitaten verdrängt werden und in andere Bereiche wechseln, entstehen neue Kontakte, die es vorher nie gegeben hat, und genau das ist das Problem. Es existiert eine Konkurrenz zwischen Mensch und Tier um die knapper werdenden Ressourcen Wir sind Reiseweltmeister, es gibt ja kaum noch unentdeckte Flecken auf dieser Erde, der Warenhandel hat sich intensiviert. Alles keine guten Optionen für uns im Kampf gegen die Viren. Vieles wird man nicht wieder in den Ausgangszustand zurückversetzen können, aber wir sind gewarnt, wir müssen anders mit der Natur umgehen und wir müssen uns besser auf Ausbrüche, wie wir sie jetzt erleben vorbereiten. Viren sind nicht zu unterschätzende Gegner.

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