Kerosin endlich besteuern

Ein vom Umweltbundesamt im Jahr 2005 in Auftrag gegebener Forschungsbericht  – erstellt von Prof. Dr. Eckhard Pache (Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Staatsrecht, Völkerrecht, Internationales
Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsverwaltungsrecht) – kam bereits 2005 zu folgender Auffassung: Die Besteuerung von Flugbezin wäre nicht nur aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung geboten, sondern auch juristisch machbar.

24 bzw. 14 Jahre später gilt noch immer, was Pache bereits 2005 feststellte: der Luftverkehr wird noch immer steuerrechtlich privilegiert:

  • Zum einen können die Luftverkehrsunternehmen Flugbenzin zur gewerblichen Verwendung steuerfrei beziehen (gemäß § 4 I Nr. 3 lit. a MinöStG).
  • Die Bahn kommt beim Verbrauch elektrischen Stroms gemäß § 9 II StromStG lediglich in den Genuss einer Steuerermäßigung
  • Beim Bezug von Dieseltreibstoffen unterliegt die Bahn dem gleichen Steuersatz wie der Straßenverkehr.
  • Letzteres gilt genauso für den Reisebus.
  • Zum anderen wird auf Flugtickets für grenzüberschreitende Flüge gemäß § 4 II UStG keine Mehrwertsteuer erhoben.
  • Für inländische Flüge gilt allerdings ebenfalls der volle Mehrwertsteuersatz von 16%.
  • Bei Bahntickets muss im Fernverkehr, d.h. bei einer Entfernung von über 50 km, der volle Mehrwertsteuersatz von 16% zu entrichten werden.

Paches Fazit: „Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung einer Kerosinbesteuerung ein Schritt hin zur Erfüllung des aus Art. 3 GG abzuleitenden Gebotes der Steuergerechtigkeit 5 auf dem Verkehrssektor.Die Einführung einer Kerosinbesteuerung wäre somit keine Benachteiligung des Luftverkehrs, sondern vielmehr die Herstellung einer wenigstens teilweisen steuerlichen Gleichbehandlung des Luftverkehrs mit anderen Verkehrsträgern.“

Die Frage lautet deshalb: Was ist seit 1995 bzw. 2005 passiert – und weshalb hält der Skandal der Nichtbesteuerung bzw. der Ungleichbehandlung weiterhin an?

Toralf Staud schreibt im Greenpeace-Magazin 2006: „Die Steuerfreiheit für Kerosin geht zurück auf das Chicagoer Abkommen von 1944, das nach dem Zweiten Weltkrieg die zivile Luftfahrt fördern sollte. Sie wurde als völkerverständigende Maßnahme gepriesen, nebenbei war es ein gigantisches Konversionsprojekt für die Rüstungsindustrie. In der Bundesrepublik wurde die Steuerbefreiung zur „Förderung des Luftverkehrs“ 1953 festgeschrieben.

„Fliegen muss teurer werden!“, war am 9. Februar 1995 ein Interview der Bild-Zeitung mit Angela Merkel überschrieben. Die damalige Umweltministerin beklagte, dass Kerosin „noch immer steuerfrei“ ist und versprach: „Die Bundesregierung wird international auf eine weltweite Besteuerung von Flugbenzin dringen. Wir machen das Auto zum Umwelt-Buhmann, vergessen aber ganz die katastrophalen Auswirkungen … durch den zunehmenden Flugverkehr …“

Zwischenfrage der Bild: „Dann werden Flüge teurer …“ Merkel: „Dieser Effekt ist ja auch erwünscht. Wir wollen, dass die Bahn ein wettbewerbsfähiger Konkurrent zum Flugzeug wird, nicht nur durch schnellere Verbindungen, sondern auch über den Preis.“

Im Oktober 1995 verlangte der Arbeitskreis Umwelt der CSU „die Einführung einer Steuerpflicht für Flugbenzin“ und schrieb: „Nach einem nationalen Einstieg können wir umso glaubwürdiger EU-weit und international auf eine … Verschärfung internationaler Vereinbarungen … drängen.“

(Quelle: Greenpeace Magazin Ausgabe 5/2006:Der Kerosin-Skandal (Autor: Toralf Staud).

Mit den Stimmen aller Fraktionen forderte der Bundestag am 19. März 1997 die Bundesregierung auf, „eine europäische Initiative zu ergreifen, um die Flugkraftstoffbesteuerung im Rahmen der Internationalen Luftverkehrsorganisation durchzusetzen.“ (Bundestagsdrucksache 13/7263)

Finanzminister Hans Eichel wollte 2002 die Mehrwertsteuerbefreiung für Auslandsflüge streichen. Das hätte 500 Millionen Euro Steuermehreinnahmen gebracht. Das Gesetz scheiterte damals am Widerstand der Union im Bundesrat. Das Geld könnte der Staat gut brauchen.

Staud schreibt weiter: „Die Forderung international einheitlicher Regelungen ist verlogen, das weiß jeder Politiker. In der Zivilluftfahrtorganisation ICAO blockieren die USA und arabische Länder jede Reform. Ähnlich sieht es auf EU-Ebene aus, weil bei Steuern das Einstimmigkeitsprinzip gilt und Länder wie Spanien, Griechenland oder Irland stets mit Veto drohen.“

Die Steuerfreiheit für Auslandsflüge ist in hunderten bilateralen Luftverkehrsverträgen verankert – die ließen sich neu verhandeln. Theoretisch.

Im Inland erlaubt das EU-Recht den nationalen Regierungen seit 2004, Flugbenzin im Alleingang zu besteuern.

  • Die Niederlande wagten es 2005  Dort ist Kerosin für die (wenigen) Inlandsflüge nun mit einem Drittel des Steuersatzes für Autos belegt.
  • Auch das Nicht-EU-Mitglied Norwegen besteuert Kerosin.
  • In Großbritannien gibt es seit langem eine Passagiergebühr.
  • Frankreich hat zum 1. Juli 2006 eine Ticket-Abgabe (je nach Entfernung zwischen ein und vierzig Euro) eingeführt.

Zum 1. Junuar 2011 ist eine Luftverkehrsteuer in Kraft getreten. Auf Starts in Deutschland werden derzeit, je nach der Entfernung der Flugstrecke zum Zielflughafen, 7,46 Euro, 23,31 Euro oder 41,97 Euro erhoben.Das Umweltbundesamt (UBA) beziffert die umweltschädlichen Subventionen des gewerblichen Flugverkehrs aktuell auf zwölf Mrd. Euro. Mit der Luftverkehrsteuer wird das Steuerprivileg gerade einmal um eine Milliarde Euro verringert.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) empfiehlt:

  • Die dringende Besteuerung von Kerosin. Diese Steuer würde sich mehr am tatsächlichen Verbrauch des Flugzeugs orientieren und Fluggesellschaften dazu animieren, alle Möglichkeiten der Einsparung von Kerosin zu nutzen.
  • Die Steuersätze der Luftverkehrsteuer von den Einnahmen aus dem Emissionshandel zu entkoppeln.
  • Eine zusätzliche Differenzierung der Steuersätze nach Klassen, nicht nur nach der Entfernung. Denn Business Class-Reisende beanspruchen mehr Platz und tragen somit auch einen größeren Anteil an den negativen Folgen des Luftverkehrs. Für diese Plätze müsste ein entsprechend höherer Steuersatz berechnet werden.
  • Auch die bislang unberücksichtigte Luftfracht sollte in die Steuererhebung einbezogen werden. Vorstellbar wäre eine gewichtsbezogene Komponente oder die Erhebung der Steuer pro abfliegenden Flug

Weitere Infos auf der Website des VCD (Verkehrsclub Deutschland).

Interessant ist außerdem der ZEIT-Artikel: Die subventionierte Umweltsau (