China – Freund oder Feind?

„China, zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, sucht nach Jahrzehnten der Abgeschiedenheit den Anschluss. Trotz gravierender politischer Differenzen sind auch Deutschland und die EU an einer engen Zusammenarbeit mit China interessiert. Aber spätestens seit die Metropole Hongkong ausgesprochene Probleme hat, ihren verbrieften Status als Sonderzone gegenüber dem mächtigen chinesischen Nachbarn zu wahren, werden Zweifel lauter, ob im Austausch mit China tatsächlich alles möglich sollte, was wirtschaftlich machbar ist. War die bisherige politische Linie „Wandel durch Handel“ im Umgang mit China naiv?

Zunehmend wird über Alternativen nachgedacht. Gibt es diese überhaupt oder ist die Welt dem Reich der Mitte bereits verfallen? Wie eng können und wollen Deutschland und China zusammenarbeiten? Wo liegt der Nutzen? Wie hoch ist der Preis? Hat China bereits so viel Macht, dass sich seine Wirtschaftspartner unterordnen müssen?

phoenix-Redakteurin Angela Claren-Moringen und ihr Kollege Thomas Bade spüren diesen Fragen nach im Austausch mit dem Politikwissenschaftler und China-Experten Prof. Dr. Xuewu Gu, Direktor des Center for Global Studies der Universität Bonn, der Sinologin und Buchautorin Dr. Mareike Ohlberg, Senior Fellow des German Marshall Fund in Berlin und Erich Staake, dem Vorstandsvorsitzenden der Duisburger Hafen AG duisport, einem Kenner der internationalen Logistikbranche und Partner der chinesischen Wirtschaft im Rahmen des Projekts „Neue Seidenstraße“.“

Moderation: Thomas Bade


Wie umgehen mit der Weltmacht China? 422 Aufrufe – Live übertragen am 10.11.2021

Strategie für das asiatische Zeitalter – Wie umgehen mit der Weltmacht China?

Der indopazifische Raum und die neue Weltmacht China sind von zentraler geopolitischer Bedeutung. Während die USA einen Weg der Eindämmung Chinas verfolgen, setzen die europäische und die deutsche Außenpolitik auf eine Strategie der gleichzeitigen Partnerschaft und Rivalität mit Peking. Auch die neue Bundesregierung sollte den Dialog mit China weiterführen, doch gibt es zahlreiche kontroverse politische Fragen: Klimapolitik, wirtschaftlicher Wettbewerb, Menschenrechtsnormen lassen heftige Auseinandersetzungen erwarten – innerhalb Deutschlands und Europas.

Auf dem Podium:  Dr. Pascal Abb, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedensund Konfliktforschung (HSFK) und Amelie Richter, Journalistin China.Table
Es moderiert:  Andreas Schwarzkopf, Frankfurter Rundschau

Mittwoch, 10. November 2021, 19 Uhr, Haus am Dom Frankfurt, Domplatz 3

Ressource Wasser – nachhaltiger Umgang

Co2online.de ist eine sehr informative Homepage – auch zum Thema Wasser, Wasserverbrauch, Sparen von Wasser etc.

U.a. findet man hier 10 Tipps zum nachhaltigen Umgang mit Wasser

Für Haushalte lohnt sich Wasser­­sparen gleich dreifach: Nicht nur die Wasser­kosten lassen sich reduzieren. Gleich­zeitig sinken auch der Energie­verbrauch und die CO2-Emissionen. Denn ein großer Teil des verbrauchten Wassers in Deutschland ist Warm­wasser – durch­schnittlich jeder vierte Liter im Haus­halt. Wer effektiv Wasser spart, spart also auch Energie, die zum Erhitzen des Wassers gebraucht wird.

Für Warm­wasser wird im Haushalt fast zehn Mal mehr Energie eingesetzt als für die Beleuchtung. Insgesamt 14 Prozent des Energie­verbrauchs eines Durch­schnitts­haushalts wird für die Bereitung von Warm­wasser verwendet – und der Anteil am Gesamt­verbrauch wächst weiter. Während der Heiz­energie­bedarf durch effiziente Heiz­kessel und eine verbesserte Dämmung rückläufig ist, steigt der Energie­aufwand für die Warm­wasser­bereitung stetig. So ist zum Beispiel tägliches Duschen, das einen großen Anteil am Warm­wasser­verbrauch hat, zur Normalität geworden. Gleichzeitig steigen die Energie­preise und die Erwärmung von Wasser kann nur bedingt effizienter werden. Steigender Bedarf und steigende Preise: Das heißt tendenziell höhere Kosten für Haushalte.

Wasserverbrauch pro Kopf – Entwicklung in Deutschland seit 1990

Vor etwa 50 Jahren stieg der Wasserverbrauch in Deutschland noch stetig an. Expert*innen gingen zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass wir irgendwann die 200-Liter-Marke knacken. Stattdessen ist der Wasserverbrauch pro Kopf von 1990 bis 2018 um 20 Liter gesunken, wie die Infografik zeigt. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  • Zum einen werden Technologien stetig weiterentwickelt, sodass Waschmaschinen und Co immer wasser- und energiesparender arbeiten.
  • Zum anderen wächst das Bewusstsein für einen sorgsamen Umgang mit der Ressource Wasser: Wasser sparen heißt schließlich auch Umwelt und Klima schützen.

Im Jahr 2017 lag der Wasserverbrauch pro Kopf sogar bei nur 123 Litern täglich, also noch einmal 4 Liter weniger als ein Jahr später. Grund für den wieder leicht angestiegenen Verbrauch im Jahr 2018 könnte der extrem heiße Sommer als Folge des Klimawandels sein. Allerdings gibt es hierzu keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege.


Was ist der Wasserfußabdruck?

Im Gegensatz zum direkten Wasserverbrauch rechnet der Wasserfußabdruck auch das indirekt genutzte Wasser mit ein. Die in Produkten versteckte Wassermenge wird häufig als virtuelles Wasser bezeichnet. Der Wasserfußabdruck ist die gesamte Menge Wasser, die  Nationen, Unternehmen oder Verbraucher*innen  in Anspruch nehmen.

Die Welt des Xi Jinping – Doku 2019 SRF

https://www.youtube.com/watch?v=1iGAjZWXQR8

Unter der Führung des übermächtigen Xi Jinping ist China auf dem Weg zur führenden Weltmacht des 21. Jahrhunderts. Welche Ziele verfolgt der geheimnisvolle Autokrat, der in seiner Jugend tief durch den Maoismus geprägt wurde? Was ist sein Antrieb? Innenpolitisch strebt Xi nach der „perfekten Diktatur“, außenpolitisch möchte er die internationalen Regeln neu schreiben. ARTE zeichnet den Aufstieg und die politischen Zukunftspläne des chinesischen Präsidenten nach.

Dokumentarfilm 2019 | SRF DOK

Klimawandel – Wer hilft den Menschen, sich zu ändern?

Quelle:  Science Media Centre Germany

9.09.2019

Klimawandel – Wer hilft den Menschen, sich zu ändern? Teil 4

Anlass

Mit „Fridays for Future” kam der Klimaschutz mit Macht zurück auf die politische und mediale Agenda. Was jedoch bislang kaum diskutiert wird: Wie kann der Einzelne aktiviert werden zu handeln? Was hindert Menschen daran zu handeln? Stattdessen wirkt es derzeit so, als versuche die Politik die Quadratur des Kreises. Klimaschutz, ja bitte – aber der Bürger soll weiterleben wie bisher. 

Am 20. September 2019 entscheidet das Klimakabinett darüber, wie die Bundesregierung den Kohlendioxidausstoß Deutschlands senken will. Am 23. September präsentiert Angela Merkel dieses Programm dann auf dem UN-Klimagipfel „Climate Action Summit 2019” in New York. Das nehmen wir zum Anlass, diejenigen zu unterstützen, die sich die Frage stellen: Was kann der Einzelne tun – und wer kann wie die Menschen dazu bewegen, nach 30 Jahren Diskussion endlich mit dem Handeln anzufangen? 

Wir fragten dazu Wissenschaftler aus den verschiedensten Disziplinen an – Kommunikationswissenschaften, Philosophie und Ethik, Ökonomie, Psychologie und Soziologie.

Teil 1: Kommunikationswissenschaften und Klimakommunikation

Teil 2: Philosophie und Ethik

Teil 3: Ökonomie

Teil 4: Psychologie und Soziologie

Übersicht

  • Dr. Michael Kopatz, Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Forschungsbereich Energiepolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal
  • Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH (ZMT), Bremen
  • Prof. Dr. Andreas Ernst, Professor für Umweltsystemanalyse/Umweltpsychologie und Stellvertretender Geschäftsführender Direktor des Center for Environmental Systems Research, Universität Kassel
  • Prof. Dr. Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie, Universität Koblenz-Landau
  • Dr. Corinna Fischer, Gruppenleiterin „Nachhaltige Produkte und Konsum“, Öko-Institut e.V., Darmstadt
  • Prof. Dr. Ellen Matthies, Professorin für Umweltpsychologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
  • Dr. Immanuel Stieß, Leiter Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag, Institut für Sozialökologische Forschung GmbH (ISOE), Frankfurt am Main
  • Dr. Roland Quabis, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Sozialpsychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
  • Dr. Astrid Kause, Post-doctoral Researcher Energy and Climate Change Mitigation, University of Leeds, Vereinigtes Königreich

Statements

Dr. Michael Kopatz

Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Forschungsbereich Energiepolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal

„Befragungen zeigen, dass sich fast die gesamte Bevölkerung mehr Engagement beim Klimaschutz wünscht, doch geflogen wird so viel wie nie zuvor. Kollektiv wollen wir den Wandel, individuell möchten nur wenige den Anfang machen. Es ändert sich wenig, weil sich die Menschen benachteiligt fühlen, wenn sie ‚allein‘ auf den Flug oder das Auto verzichten oder sich einschränken. Das kann sich ändern, wenn wir das erwünschte Verhalten zur Routine machen.“

„Verhältnisse ändern Verhalten: Strukturen müssen sich so verändern, damit Öko zum Normalfall wird. Die Produkte im Supermarkt können nachhaltiger werden, ohne dass sich jede und jeder über das nachhaltigste Produkt oder moralisch korrekten Konsum den Kopf zerbrechen muss.“

„Die Verkehrswende ist möglich – ohne persönlichen Verzicht. Und auch ‚Bio für alle!‘ ließe sich leichterhand ins Werk setzen. Es ist Aufgabe der Politik, die Konsumenten von der Last zu befreien, immer die ‚richtige‘ Entscheidung treffen zu müssen.“

„Damit sich die Strukturen ändern, müssen sich die Bewegten dafür einsetzen. Persönliche Verantwortung heißt nicht, nur noch Bambusbecher to go zu nehmen. Persönliche Verantwortung heißt, für eine politische Umgestaltung grundlegender Mechanismen zu kämpfen.“

„Laut einer Studie der Politikwissenschaftlerin Erica Chenoweth führten Bewegungen des 21. Jahrhunderts dann zum Erfolg, wenn sie mindestens 3,5 Prozent der Menschen beständig mobilisieren konnten. Diese Menschen, zum Beispiel aus der EDSA Revolution der Philippinen oder der Rosenrevolution in Georgien, haben sich nicht darauf beschränkt, zuhause gewaltfreie Kommunikation zu üben.“

„Sie gingen auf die Straße und demonstrierten. Sie haben politische Forderungen gestellt. Sie haben gemeinsam protestiert. Die Zahl 3,5 Prozent kann ein Mutmacher sein, sich nicht in Diskussionen über Urlaubsflüge zu verheddern, sondern mit #ExtinctionRebellion Straßen zu blockieren.“

„Katastrophenkommunikation lässt die Menschen abstumpfen. Einerseits. Doch was ist die Alternative? Nicht berichten? Es hilft aber nichts. Man kann nicht damit aufhören, das Thema und die Zuspitzung der Klimakrise immer wieder aufs Neue und verschiedenen Varianten aufzubereiten. Zudem kommen immer neue Generationen in den Radar journalistischen und wissenschaftlichen Wirkens. Ein neues Buch über die Bekämpfung der Klimakrise kann durchaus zu 90 Prozent aus bekannten Inhalten bestehen. Es erreicht aber womöglich neue Zielgruppen beziehungsweise Generationen.“

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge

Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH (ZMT), Bremen

Auf die Frage, warum die meisten Menschen trotz der Klimakrise ihr Verhalten nicht geändert haben:
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sich gerne von Strukturen und Alltagsregeln leiten lässt. Verhaltensänderung von vielen zu erzielen, bedarf dem Anpassen unserer rechtlichen, ökonomischen und sozial als akzeptiert geltenden Regeln und Normen. Hier tragen Staat und Markt eine große Verantwortung.“

Auf die Frage, in welchem Verhältnis individuelles Handeln zu den notwendigen politischen Veränderungen beim Klimaschutz steht:
„Handeln auf der Ebene des Individuums und des Kollektivs stellt – insbesondere in einer Demokratie – Grundlage für politische Entscheidungsfindungen dar. Strukturwandel, Veränderungen auf Gesetzesebene beispielsweise gehen somit in der Regel auf gesellschaftliche Umdenkprozesse und Verhaltensänderungen, wie beispielsweise im Konsumverhalten, zurück.“

Auf die Frage, inwiefern es Sinn hat, dass der Einzelne sein individuelles Verhalten ändert:
„Verhaltensänderung auf Ebene des Einzelnen und hin zu einem Klima-verträglicheren Umgang mit unserem Planeten ist absolut notwendig, um auch größere gesellschaftliche Umdenkprozesse zu erreichen.“

Auf die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen Menschen oder Institutionen bereit sind, ihr Verhalten zu ändern:
„Massive gesellschaftliche Transformationsprozesse gehen entweder auf einschneidende historische Ereignisse zurück, also ökologische Krisen, Kriege, Hungersnöte, oder aber auf sukzessive gesellschaftliche Lernprozesse, die Lebensstile, Moden und soziale Schichten übergreifend prägen und Veränderungen im alltäglichen Verhalten, in den Routinen der Menschen als anstrebenswert erscheinen lassen und sie strukturell ermöglichen.“

Prof. Dr. Andreas Ernst

Professor für Umweltsystemanalyse/Umweltpsychologie und Stellvertretender Geschäftsführender Direktor des Center for Environmental Systems Research, Universität Kassel

„Alle energie- und damit klimarelevanten Verhaltensweisen wie Mobilität, Wohnen oder Ernährung sind Gewohnheiten. Wir wissen selbst, wie schwer es ist, Gewohnheiten zu ändern. Hier helfen nur Bündel von unterstützenden, aber auch lenkenden Maßnahmen, die sowohl im Kopf als auch außerhalb des Kopfes ansetzen. Es ist hier genauso wichtig, durch ernsthafte Vorbilder in Freundeskreis, Politik und Wirtschaft den Stellenwert von Klimaschutz vor Augen geführt zu bekommen, wie die faktische Verfügbarkeit von sicheren Fahrradwegen oder öffentlichem Nahverkehr.“

„Gesellschaftlicher Wandel ist soziale Innovation. Und die funktioniert so wie technische Innovation. Auch die setzt sich zuerst in bestimmten Gruppen durch und breitet sich erst dann auf weitere Schichten aus – oder auch nicht. Weite Kreise der Gesellschaft stehen bereits jetzt vollständig hinter dem Klimaschutz. Andere – aus anderen Interessenlagen – nicht. Die Frage ist also eher, wie man mit diesen Interessenlagen umgeht, ohne den Erfolg des Klimaschutzes aufs Spiel zu setzen.“

„Die Berichterstattung über die zu beobachtenden Auswirkungen des Klimawandels ist alternativlos. Sie hat dazu geführt, dass das Unbehagen wächst. Also das Gefühl, dass wir es mit etwas zu tun haben, das schlecht mit den herkömmlichen ‚Weiter-so‘-Methoden in den Griff zu bekommen ist. Die ‚Fridays for Future‘-Bewegung ist der sicht- und hörbare Ausdruck dieses Unbehagens.“

Prof. Dr. Gerhard Reese

Professor für Umweltpsychologie, Universität Koblenz-Landau

Auf die Frage, warum die meisten Menschen trotz der Klimakrise ihr Verhalten nicht geändert haben:
„Die Antwort ist – wie sicherlich erwartet – nicht ganz einfach. Menschen sind trotz ihrer Ähnlichkeit sehr verschieden, haben unterschiedliche Bedürfnisse, die auf unterschiedliche Weise befriedigt werden.“

„Die Klimakrise ist für uns schwer zu verarbeiten, da sie abstrakt, massiv und auch für viele gefühlt weit weg ist. Dazu kommt, dass die meisten ‚klimafreundlichen‘ Verhaltensalternativen (ÖPNV statt Auto, Zug statt Flug, Bio statt konventionell) oft als unbequemer und teurer erlebt werden, was aber nicht immer stimmt. Dazu kommt, dass die vergangenen Generationen inklusive der jetzigen in ein Wirtschaftssystem reingewachsen sind, das auf Konsum und Kapital ausgelegt ist – und dieses Wirtschaftssystem ist in seinem Ressourcenverbrauch desaströs. Aus diesem ‚Narrativ‘ – also der Erzählung – dass Wirtschaftswachstum nur gut ist, müssen wir uns endlich lösen.“

„Viele Menschen verändern ihr Verhalten nicht, weil Ihnen die Auswirkungen des eigenen Verhaltens zu klein erscheinen – es fehlt an Selbstwirksamkeit. Daher ist es wichtig, dieses Gefühl von Wirksamkeit (‚Ich kann etwas erreichen für den Klimaschutz.‘) auf eine kollektive Ebene zu bringen (‚Wir können gemeinsam mehr Klimaschutz erreichen!‘). Ein zweiter Grund ist, dass wir in einer auf ‚Turbokapitalismus‘ gebürsteten Gesellschaft häufig unsere grundlegenden Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen, Kompetenz und Autonomie versuchen, durch Konsum zu befriedigen – anstatt durch gemeinsame Zeit und Erlebnisse.“

„Was braucht es? Psychologisch: Dieses ‚Wir können das zusammen stemmen!‘ ist sehr hilfreich, zudem sich bewusst machen, dass andere auch schon aktiv sind und uns mit Verhaltensalternativen auseinandersetzen. Dazu muss ein Wertewandel kommen – optimalerweise politisch legitimiert – der weniger auf Leistung, Kapital und Wachstum ausgerichtet ist. Politisch: Klare Entscheidungen für Klimaschutz und Umwelt – sowohl mit Verboten (dem Rauchverbot in öffentlichen Räumen und dem Fahren ohne Anschnallgurt weint auch niemand mehr nach) als auch Anreizen und vor allem: der Schaffung von Verhaltensalternativen! Eine Verhaltensalternative zu innereuropäischen Flügen: Ein innereuropäisches Nachtzugnetz! Eine Verhaltensalternative zum eigenen Auto: flächendeckende Sharing-Angebote und ÖPNV. Eine Verhaltensalternative zur fleischreichen Ernährung: Verteuerung von Fleisch und Subventionierung von Gemüse.“

Auf die Frage, ob eine stete Symptomberichterstattung dazu führt, dass Menschen ihre Augen vor den Auswirkungen des Klimawandels verschließen oder eine wachsende Motivation zur Verhaltensänderung bewirkt:
„Es kann beides passieren: Eine Abstumpfung auf der einen Seite, eine dauerhafte Verankerung des Themas in unseren Köpfen auf der anderen Seite. Wir müssen es schaffen, dass Letzteres passiert, dass die Menschen merken: Wir müssen agieren, Kopf in den Sand stecken wird spätestens unsere Kinder massiv treffen – und eben auch in Europa und nicht nur in fernen Inselstaaten. Trockene und viel zu heiße Sommer sind nach einigen Klimawissenschaftlern der Anfang. Wenn der Fridays for Future Bewegung, Extinction Rebellion und allen anderen sozialen Bewegungen gelingt, das Momentum aufrecht zu halten, dann sollte dies mit einem Gefühl ‚kollektiver Wirksamkeit‘ einhergehen und dazu beitragen, eine Verhaltens- und politische Veränderung herbeizuführen.“

„Falls es noch nicht durchgeklungen ist: Wichtig ist, dass wir die psychologischen Aspekte der Reaktionen auf Klimawandel im gesellschaftlichen System diskutieren – natürlich kann ich sagen ‚Fahrt kein Auto!‘, aber das geht eben nicht in einer Gesellschaft, in dem mehr und mehr Menschen pendeln müssen und es – gerade auf dem Land – keine Alternative gibt. Gleichzeitig gibt es aber sogenannte ‚Big Points‘, mit der jede/r Einzelne seinen Beitrag leisten kann – meist ohne zusätzliche Kosten: Weniger Fleisch und Tierprodukte konsumieren, auf Flüge verzichten, Ökostrom beziehen, auf Kurzstrecken Radeln und Laufen statt Auto fahren.“

Dr. Corinna Fischer

Gruppenleiterin „Nachhaltige Produkte und Konsum“, Öko-Institut e.V., Darmstadt

„Die Klimakrise war lange nicht unmittelbar erfahrbar. Auch die Effekte des eigenen Handelns sind nicht direkt zu spüren. Weiter stehen eingespielte Routinen und der Zwang der Verhältnisse klimafreundlichem Handeln entgegen. Zum Beispiel fehlt öffentlicher Verkehr oder Gebäude sind schlecht gedämmt. Oft wirken soziale Normen in die umgekehrte Richtung – etwa, wenn Urlaubsflüge der Normalfall sind. Oder die Menschen haben andere Prioritäten: Alltagsbewältigung, Anerkennung, Erholung oder Erlebnis.“

Dr. Fischer gibt folgende Quellen an: [1], [2].

„Individuelles Handeln ist nur ein Aspekt des nötigen gesellschaftlichen Wandels. Zugleich müssen sich Leitbilder, politische Rahmenbedingungen, Infrastrukturen, Technologien und Märkte ändern. Alle diese Veränderungen greifen ineinander. Die Rolle einzelner Personen oder Gruppen kann darin bestehen, soziale Normen zu verändern, als Konsument*innen Einfluss auf Unternehmen zu nehmen oder eine stringente Klimapolitik zu fordern und ihr Rückenwind geben.“

Dr. Fischer gibt folgende Quellen an: [3], [4], [5].

„Politik sollte weder ‚belohnen‘ noch ‚strafen‘, sondern klimafreundliches Handeln erleichtern und klimaschädliches erschweren. Beispielsweise muss der öffentliche Verkehr verfügbar, bequem, sicher und preisgünstig sein. In Städten sollte er mehr Platz zu Lasten des Autoverkehrs erhalten. Am wirksamsten ist eine Kombination verschiedener Instrumente: Ge- und Verbote, Infrastrukturen, Preise, die die ‚ökologische Wahrheit‘ sagen und Fördermaßnahmen für Investitionen wie Gebäudesanierung. Hinzu kommt eine Kommunikation, die Handlungsnotwendigkeiten begründet und -möglichkeiten aufzeigt.“

Dr. Fischer gibt folgende Quellen an: [6], [7].

Prof. Dr. Ellen Matthies

Professorin für Umweltpsychologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Auf die Frage, warum die meisten Menschen trotz der Klimakrise ihr Verhalten nicht geändert haben:
„Zunächst ist die Ausgangsfrage selbst kritisch zu betrachten. Die Frage stellt die Menschen in ihrer Rolle als Konsument*innen in den Mittelpunkt, genauso wichtig ist ihre Rolle als Bürger*innen. Es hat sich gerade innerhalb der vergangenen Jahre gezeigt, dass die Deutschen in der Mehrheit Umwelt- und Klimaschutz als sehr wichtig erachten [8]. Das ist eine wichtige Reaktion und Veränderung der Menschen als Bürger*innen. Das sichtbare politische Engagement und neue Mehrheiten sind ebenso eine wichtige Veränderung im Verhalten unserer Gesellschaft (Fridays for Future; Zuwachs Grüne bei der Europawahl).“

„Dennoch macht die Frage ‚Was es braucht‘ beziehungsweise auch ‚Woran es derzeit scheitert‘ Sinn für all die Menschen, die ihren CO2-Fußabdruck noch nicht reduziert haben. Individuelles Handeln folgt einer Vielzahl von Zielen, und ökologische Ziele sind in der konkreten Handlungssituation meist nur untergeordnet (das ist in der Umweltpsychologie seit langem bekannt, ein schöner Artikel dazu etwa [9], empirische Arbeiten zusammengefasst in [10]). Viele Ziele und Aspekte der Handlungssituationen im Alltag (Schnelligkeit, Flexibilität, Verhaltenskosten, monetäre Kosten, Status, Genuss) stehen derzeit im Widerspruch zum ökologischen Handeln.“

„Daraus lässt sich bereits die Antwort auf die Frage nach einer sinnvollen Strategie ableiten: Weniger die Betroffenheit, beziehungsweise das Problembewusstsein, muss gefördert werden, denn es ist bereits sehr ausgeprägt. Wichtig ist aus psychologischer Perspektive, dass die Handlungssituation, beziehungsweise die vielen alltäglichen Handlungssituationen, so aussehen sollten, dass das ökologische Verhalten naheliegend ist. Übergeordnet schaffen das sowohl Preise (also höhere Kosten für CO2-intensive und geringere für CO2-reduzierende Produkte/Technologien) als auch Regulierungen. Ich gehe davon aus, dass die meisten Bürger*innen mit ‚Preis‘ Mehrausgaben assoziieren. Eigentlich ist das aber keine Vorstellung, die dem Kern der CO2-Bepreisung gerecht wird. Bislang werden Umweltkosten externalisiert, das heißt: Problematischer Konsum wird indirekt von allen subventioniert. Würde man statt von CO2-Bepreisung korrekt von Subventionsabbau sprechen, wäre die Akzeptanz der Bevölkerung vermutlich deutlich größer für eine solche umfassende steuernde Maßnahme (Studie dazu etwa [11]).“

„Belohnung für positives Verhalten macht zwar individuell Sinn – etwa, wenn engagiertes, mutiges Verhalten anerkannt wird. Wie soll aber Nichtfliegen oder Wenigfliegen belohnt werden? Der Vorschlag einer an den Umweltkosten orientierten Bepreisung, kommuniziert als Subventionsabbau, macht daher in der aktuellen Situation psychologisch am meisten Sinn.“

Auf die Frage, inwiefern eine stete Symptomberichterstattung dazu führt, dass Menschen ihre Augen vor den Auswirkungen des Klimawandels verschließen:
„Was hier angesprochen wird, ist die Problematik, dass Problemberichterstattung nicht nur sensibilisieren kann, sondern auch demoralisieren. Wenn über Jahrzehnte Klimaprognosen immer dramatischer werden, und niemand nimmt es zum Anlass zur Veränderung, dann wird damit indirekt kommuniziert: So schlimm wird es schon nicht kommen. Insofern kann ein Fokus auf Problemberichterstattung sogar der Bereitschaft zur Verhaltensänderung und Politikunterstützung schaden. Es ist daher wichtig, dass im Sinne eines konstruktiven Journalismus zusammen mit der Probleminformation immer auch Handlungsmöglichkeiten (etwa Wechsel zu CO2-freiem Strom, Fleischverzicht, Kompensation der Klimafolgen, Energieberatung und Ergreifen von Maßnahmen im eigenen Haushalt) und bereits angelaufene Problemlösungsinitiativen gezeigt/berichtet werden. Aber mit den vielfältigen Fridays for Future Aktivitäten haben wir ja jetzt alle die Möglichkeit, uns an Lösungen zu beteiligen.“

Dr. Immanuel Stieß

Leiter Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag, Institut für Sozialökologische Forschung GmbH (ISOE), Frankfurt am Main

„Menschen sind dann bereit, umweltfreundlich zu handeln, wenn Handlungsalternativen bekannt sind und der Aufwand für diese Verhaltensänderungen vergleichsweise gering ist. Hinzu kommt: Viele Verhaltensweisen, mit denen wir das Klima belasten, sind an Routinen gebunden, die wir im Alltag nicht hinterfragen. Beispiele dafür sind die Verkehrsmittelwahl oder die Ernährung. Eine Veränderung solcher Routinen erfordert Wissen, Motivation und Gelegenheiten, etwas anders zu tun als bisher.“

„Politik sollte nicht belohnen oder strafen. Aber sie kann unerwünschte Verhaltensweisen erschweren oder verbieten. Beispielsweise kann sie festlegen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt keine klimabelastenden Öl- oder Gas-Heizungen mehr verkauft werden dürfen. Hausbesitzer*innen, die ihre Heizung erneuern wollen, können dann zwischen unterschiedlichen Techniken, zum Beispiel Wärmepumpen oder Pelletheizungen wählen. Nur dass besonders klimaschädigende Systeme dabei ausgeschlossen sind.“

Dr. Stieß gibt folgende Quellen an: [12], [13].

„Auch die Handlungen kleiner Gruppen können Gesellschaften verändern. Der Grund sind Rückkopplungen und Verstärkungen, die in anderen Teilen der Gesellschaft als Reaktion auf diese Veränderungen auftreten. Solche Rückkopplungen können durch staatliches Handeln verstärkt werden. Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland entstand zunächst aus der Protestbewegung gegen den Atomstrom. Nach Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurde daraus in wenigen Jahren ein Geschäftsfeld, das einen erheblichen Teil der Stromversorgung Deutschlands deckt.“

Dr. Stieß gibt folgende Quelle an: [14].

Dr. Roland Quabis

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Sozialpsychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München

„Große persönliche Verhaltensänderungen gegen die Klimakrise sind für das Individuum noch relativ unattraktiv. Anzuerkennen, dass das eigene Verhalten bisher grundlegend falsch und zum Teil sogar ethisch bedenklich war, wäre stark selbstwertbedrohlich. Um das aufzufangen entsteht häufig eine Form der impliziten Relativierung der Bedrohung der Klimakrise oder von Verantwortungsdiffusion auf andere Akteure in der Gesellschaft. Schließlich ist der eigene Anteil an der Krise ja relativ geringfügig. Oft wartet man auf soziale Vorbilder, die innerhalb der Gesellschaft oder im eigenen Umfeld vorangehen und dafür sorgen, dass Verhaltensweisen, die zuvor außerhalb der Norm lagen, als allgemein akzeptiert und normalisiert gelten. Da auch ein moralisch unstrittiges neuartiges Verhalten trotzdem als eine gesellschaftliche Normverletzung interpretiert werden kann, die für die Mehrheit bedrohlich wirkt, kann dieses neuartige Verhalten auch negative Sanktionen durch das Umfeld mit sich bringen. Am effizientesten können solche Verhaltensweise durch Personen oder Institutionen normativ etabliert werden, die entweder bereits sehr hohe und unstrittige Autorität in der Gesellschaft genießen, oder die ein allgemein sehr hohes Identifikationspotential besitzen. Das wären also Vorbilder, bei denen die meisten Personen eine hohe Ähnlichkeit zu sich selbst sehen oder die sie als besonders sympathisch wahrnehmen. Zu großen Teilen scheint es im Moment so, dass die aktuellen besonders präsenten Klimavorbilder, die in dieser Krise voranschreiten, eher keine klassischen Autoritäten darstellen oder zu großen Teilen wie Normen verletzende gesellschaftliche Außenseiter wirken.“

Dr. Astrid Kause

Post-doctoral Researcher Energy and Climate Change Mitigation, University of Leeds, Vereinigtes Königreich

„Individuen hilft es, den Klimawandel und seine Auswirkungen besser zu verstehen, wenn dieser mit Ereignissen wie Starkregen, Dürre oder Stürmen illustriert wird – und nicht als entferntes, abstraktes Phänomen [15]. Solche Extremwettereignisse zeigen, dass sich das Klima im Hier und Jetzt wandelt [16]. Extremwetter – und eine erhöhte Risikowahrnehmung von etwa Fluten und einer notwendigen Anpassung an diese – kann dabei sogar unabhängig von der politischen Orientierung sein [17]. Extremwetter kann deswegen ein ‚Fenster‘ sein, um über Klimawandel zu sprechen und ihn weniger als Kontroverse darzustellen. Andere Effekte des Klimawandels, wie etwa auf weltweite Migration, sind noch nicht so gut verstanden und diese sollten deswegen eher sehr vorsichtig verwendet werden, um Klimaauswirkungen zu illustrieren.“

„Bis vor wenigen Jahren war der Klimawandel weniger eine ‚Krise‘ als ein politisch stark besetztes Thema und wurde vor allem von eher linken, umweltorientierten, Gruppierungen also hohes Risiko angesehen (eigene Einschätzung). So lässt sich mithilfe grundlegender Wertevorstellungen und der politischen Orientierung oft gut vorhersagen, wie und ob Individuen den Klimawandel als Risiko wahrnehmen [18]. Diese prägen auch zum Beispiel politische Entscheidungen als auch individuellen Konsum, wie zum Beispiel Energieverbrauch. Gleichzeitig sind Klima und Klimawandel eine Herausforderung, die sowohl ökonomisch, ökologisch und sozial ist und somit eine tiefgreifende Veränderung unseres Wirtschafts- und Sozialsystems braucht [siehe 19]. Individuell motivierte Verhaltensänderungen reichen nicht aus, denn wir sind stark von unserem Verhaltenskontext abhängig – das sind die uns umgebende Infrastruktur, wie etwa öffentlicher Nahverkehr und auch unsere soziales und kulturelles Umfeld. Kollegen haben gleichzeitig betont, dass es wichtig ist, einen Dialog über Klima und die damit verbundenen Unsicherheiten zu führen, statt ‚top down‘ Klimafakten zu vermitteln – dies erhöht das Vertrauen in Klimawissen, hilft Individuen, Unsicherheit besser zu verstehen und hilft, Informationsquellen, wie zum Beispiel diverse Onlineseiten, besser einzuordnen [20].“

„Wie und wann Individuen ihr Verhalten ändern, hängt auch davon ab, davon, wie ‚leicht‘ ihnen gemacht wird, den Kontext ihres Verhaltens zu verstehen. Transparente Kommunikation zum Klimawandel und dessen Ursachen muss deswegen um einfache Entscheidungsregeln ergänzt werden, die zeigen, wie ein Ziel erreicht werden kann (sogenanntes ‚procedural knowledge‘, [21]). Zum Beispiel braucht die Information, dass laut dem IPCC 24 Prozent der weltweiten Emissionen pro Jahr aus dem Agrarsektor kommen, Wissen dazu, wie diese gesenkt werden können. Einfache Daumenregeln wie ‚Ersetze tierische Proteine durch pflanzliche Proteine‘ oder ‚Kaufe saisonal‘ können Konsumenten helfen, sowohl ihr eigenes Verhalten zu ändern als auch die entsprechenden politischen Maßnahmen wie Lebensmittelsteuern besser zu verstehen und informiert darüber zu entscheiden [22]. Diese in der Sprache der Konsumenten zu beschreiben, anstatt in politischem Fachjargon, macht sie noch leichter verständlich. Jedoch, allein die (Risiko-) Wahrnehmung zu verändern, trägt nur begrenzt dazu bei, um kollektive Verhaltensänderungen zu erreichen (sogenannter ‚knowledge-action gap‘, [23]). Diese werden nicht nur durch Daumenregeln gesteuert, sondern genauso durch den Entscheidungskontext. Ob ich zum Beispiel einen grünen versus einen herkömmlichen Energieversorger wähle, hängt nicht nur vom Preis ab, sondern auch davon, welchen ‚default‘ oder welche Grundeinstellung ich vorfinde, das heißt wer mein primärer Stromversorger ist, wenn ich zum Beispiel in eine neue Wohnung ziehe.“

„Wie sehr das Verhalten anderer unser eigenes Verhalten beeinflusst hängt stark von der Art des Verhaltens ab, insofern lässt sich kaum verallgemeinern, ob es eine Art gesellschaftlichen ‚Tipping point‘ gibt. Die Entscheidungsforschung zeigt, dass wir uns, abhängig vom jeweiligen Kontext, ganz unterschiedlich an unser Umfeld anpassen. Verhaltensweisen, bei denen wir sensibel auf andere reagieren, und bei denen diese als Vorbilder werden, sind zum Beispiel Energie- oder Wasserverbrauch im Haushalt [24]. Auch Entscheidungen, die nicht direkt mit Klima zu tun haben, lassen sich durch das Verhalten unseres direkten sozialen Umfelds sehr gut vorhersagen, wie zum Beispiel Wahlentscheidungen [25], wahrgenommener Arbeitsstress oder wahrgenommenes Durchschnittseinkommen der Bevölkerung [26]. Menschen ‚wie wir‘, mit denen wir direkt umgeben sind, helfen uns oft mehr dabei, Risiken wie Klimawandel einzuschätzen, als solche, die weit entfernt sind [27]. Deswegen kann es helfen, den bestehenden sozialen Konsens in einem Land, zum Beispiel zu erneuerbaren Energien (wie er etwa in großen Bevölkerungsumfragen immer wieder gezeigt wird), wiederholt klar zu kommunizieren. Dies hilft Individuen, die die negativen Auswirkungen von etwa erneuerbaren Energien auf ihr unmittelbares Umfeld überschätzen, die positiven Auswirkungen wiederum realistisch einzuschätzen [28].“

„Meiner Einschätzung nach gibt es im Bereich Klima und Umwelt noch nicht genug Forschung zur Rolle des sozialen Umfelds auf (Konsum-) Entscheidungen, um einen eindeutigen Schluss zu ziehen – vor allem, für welches Verhalten welche Vergleichsgruppe relevant ist. Neben politischen Einstellungen können unterschiedliche kognitive Mechanismen potenziell dazu beitragen, dass ein anderes Verhalten, und damit langfristig gesellschaftlicher Wandel entsteht, und dass die politische Akzeptanz von Klimapolitik steigt. Eine kann die ‚Verfügbarkeitsheuristik‘ sein – indem vielfach über Klima und die damit verbundenen Risiken berichtet wird, werden diese besser erinnert und als immer wichtiger wahrgenommen. Ein anderer Mechanismus könnten sogenannte ‚spillover‘-Effekte sein – gerade bei Individuen mit hohen Umwelteinstellungen ist es wahrscheinlich, dass, wenn sie in einem Bereich umweltfreundliche Entscheidungen treffen, sie dies auch in anderen tun (auch hierfür verweise ich auf die Forschung am CAST [siehe I]). Schließlich können diese Verhaltensweisen im sozialen Umfeld ansteckend sein [29] – das heißt, mein eigenes Verhalten kann direkt oder indirekte Vorbildfunktion haben, was sich wiederum wie eine ‚stille Post‘-Kette fortsetzen kann.“

Dr. Kause gibt folgende weitere Recherchequellen an: [I], [II].

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Hamann K et al. (2016): Psychologie im Umweltschutz. Handbuch zur Förderung nachhaltigen Handelns. München: oekom.

[2] Fischer C et al. (2019): Stromverbrauch senken. Energieeinsparung durch Suffizienzpolitiken im Handlungsfeld „Stromverbrauch“. UBA-Texte 103/2019. Kapitel 4.1: Hemmnisse und Voraussetzungen für Veränderungsprozesse.

[3] Brohmann B et al. (2015): Wie Transformationen und gesellschaftliche Innovationen gelingen können. Dessau: Umweltbundesamt.

[4] Brand K (2008): Konsum im Kontext. Der „verantwortliche Konsument“ – ein Motor nachhaltigen Konsums? In: Lange, H (Hg): Nachhaltigkeit als radikaler Wandel? VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 71-93.

[5] Debatte Armin Grunwald / Michael Bilharz / Bernd Siebenhüner in den GAIA-Ausgaben 3/2010 und 1/2011.

[6] Fischer C et al. (2019): Stromverbrauch senken. Energieeinsparung durch Suffizienzpolitiken im Handlungsfeld „Stromverbrauch“. UBA-Texte 103/2019. Kapitel 4.2: Schlussfolgerungen für Politikinstrumente.

[7] Warsewa G (2003): Aufklären, Verordnen oder Verkaufen? – Wie läßt sich nachhaltiger Konsum gesellschaftlich herstellen? In: Linne G et al.: Handbuch Nachhaltige Entwicklung – Wie ist nachhaltiges Wirtschaften machbar? Opladen: Leske + Budrich, S. 119-131.

[8] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) (Hrsg.) (2019): Umweltbewusstsein in Deutschland 2018. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage..

[9] Hirsch G (1993): Wieso ist ökologisches Handeln mehr als eine Anwendung ökologischen Wissens? GAIA, 2(3), S. 141–151. DOI: 10.14512/gaia.2.3.6.

[10] Stern P (2000): Psychology and the Science of Human-Environment Interactions. American Psychologist, 55(5), S. 523–530. DOI: 10.1037/0003-066X.55.5.523.

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Weitere Recherchequellen

[I] Centre for Climate Change and Social Transformations: Our areas of focus.

[II] Online Research @ Cardiff (2017): European Perceptions of Climate Change. Six recommendations for Public Engagement.

Geringere Chancen auf ein gesundes Leben für LGBTQI*-Menschen

Quelle: DIW-Wochenbericht

David Kasprowski, Mirjam Fischer, Xiao Chen, Lisa de Vries, Martin Kroh, Simon Kühne, David Richter und Zaza Zindel

Geringere Chancen auf ein gesundes Leben für LGBTQI*-Menschen

Die psychische und auch die körperliche Gesundheit von LGBTQI*-Menschen sind deutlich stärker beeinträchtigt als die der restlichen Bevölkerung. Befragungsdaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und der Universität Bielefeld zeigen, dass LGBTQI*-Menschen drei- bis viermal so häufig von psychischen Erkrankungen betroffen sind.

Auch potentiell stressbedingte körperliche Krankheiten wie Herzkrankheiten, Migräne, Asthma und chronische Rückenschmerzen kommen weitaus häufiger vor als in anderen Bevölkerungsgruppen. Wichtig für das gesundheitliche Wohlbefinden ist auch das soziale Umfeld. LGBTQI*-Menschen und darunter besonders Trans*-Menschen fühlen sich oft einsam.

Hinsichtlich der in der Corona-Pandemie derzeit zunehmenden Einsamkeit vieler Menschen ist dies ein Grund zur Sorge. Die Befunde deuten auf eine massive Chancenungleichheit für ein gesundes Leben hin, der durch eine Ausweitung von queeren Beratungs- und Freizeitangeboten und der ausdrücklichen Benennung von LGBTQI*-Hasskriminalität im Strafgesetzbuch begegnet werden sollte.

Fazit der Studie:

„Resilienz und Diversität stärker fördern, Homo- und Transphobie stärker verurteilen.

Aus den Analysen des SOEP geht deutlich hervor, dass für gleiche Chancen auf ein gesundes Leben von LGBTQI*-Menschen noch viel zu tun ist. Die deutlichen Unterschiede bei psychischen und möglicherweise stressbedingten körperlichen Krankheiten lassen auf große Belastungen im alltäglichen Leben von LGBTQI*-Menschen schließen.

Dies deutet darauf hin, dass – obwohl die gesetzlichen Veränderungen in den letzten Jahren positiv zu bewerten sind – sie das Erbe jahrelanger gesellschaftlicher und institutioneller Diskriminierung nicht ohne Weiteres aufheben konnten.

Dies gilt besonders für Trans*-Menschen: Indem sie nach der heutigen Gesetzeslage eine psychiatrische Diagnose brauchen, um geschlechtsangleichende Maßnahmen ergreifen zu können, wird ihre Identität per se als krank bewertet, also noch immer pathologisiert.

Es ist wichtig, dass sexueller und geschlechtlicher Vielfalt nicht länger eine Behandlungsbedürftigkeit anhaftet, damit LGBTQI*-Menschen in ihrer Menschen-würde und Autonomie gestärkt werden. Dazu sollte Homophobie und Transfeindlichkeit im Strafgesetzbuch deutlich als Hasskriminalität benannt und sanktioniert werden. So kann LGBTQI*-Menschen Schutz geboten und Angst genommen werden.

Des Weiteren sollten Angebote innerhalb der LGBTQI*-Communities, wie Beratungsangebote, Angebote für Freizeitaktivitäten, queere Treffpunkte, kulturelle Programme und Sportvereine als sichere Orte (engl. „safe spaces“), stärker gefördert werden, auch in kleineren Gemeinden. Langfristig sollten zudem deutliche Anstrengungen zu einer queeren Antidiskriminierungspolitik vorangetrieben werden.

Dazu gehört, dass Initiativen zur Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz von LGBTQI*-Menschen, wie Trainings,Workshops und Wissensportale an Schulen sowie in Unternehmen, nicht nur angeboten, sondern verbindlich vorgeschrieben werden.“

Zusammenfassung Studie LGBTQI_Menschen haben geringere Chancen auf ein gesundes Leben

Weitere Infos:

Zehn Jahre ist es her, dass Sebastian Goddemeier seinen Realschulabschluss gemacht hat. Sieben Jahre, seit er Drensteinfurt den Rücken gekehrt hat. Fast war es eine Art Flucht, denn der heute 26-Jährige hat unter Ausgrenzung und Anfeindungen gelitten – weil er homosexuell  ist. (Allgemeine Zeitung. Nicole Evering. Freitag, 17.01.2020.

Alles, was ich hasste. Das Gegenteil von Freundschaft ist Feindschaft. Unser Autor hat sie in seiner Schulzeit zu spüren bekommen. Hier erzählt er, wie es sich anfühlt, gemobbt zu werden.Steven Meyer.  18.12.2019 (Fluter. Magazin Bundeszentrale für Politische Bildung)

Homosexualität ist am Arbeitsplatz noch immer ein Tabu (Süddeutsche Zeitung, 19.7.2017)

Aus Politik und Zeitgeschichte 9_2018 u.a. Queere Geschichte und der Holocaust