Geringere Chancen auf ein gesundes Leben für LGBTQI*-Menschen

Quelle: DIW-Wochenbericht

David Kasprowski, Mirjam Fischer, Xiao Chen, Lisa de Vries, Martin Kroh, Simon Kühne, David Richter und Zaza Zindel

Geringere Chancen auf ein gesundes Leben für LGBTQI*-Menschen

Die psychische und auch die körperliche Gesundheit von LGBTQI*-Menschen sind deutlich stärker beeinträchtigt als die der restlichen Bevölkerung. Befragungsdaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und der Universität Bielefeld zeigen, dass LGBTQI*-Menschen drei- bis viermal so häufig von psychischen Erkrankungen betroffen sind.

Auch potentiell stressbedingte körperliche Krankheiten wie Herzkrankheiten, Migräne, Asthma und chronische Rückenschmerzen kommen weitaus häufiger vor als in anderen Bevölkerungsgruppen. Wichtig für das gesundheitliche Wohlbefinden ist auch das soziale Umfeld. LGBTQI*-Menschen und darunter besonders Trans*-Menschen fühlen sich oft einsam.

Hinsichtlich der in der Corona-Pandemie derzeit zunehmenden Einsamkeit vieler Menschen ist dies ein Grund zur Sorge. Die Befunde deuten auf eine massive Chancenungleichheit für ein gesundes Leben hin, der durch eine Ausweitung von queeren Beratungs- und Freizeitangeboten und der ausdrücklichen Benennung von LGBTQI*-Hasskriminalität im Strafgesetzbuch begegnet werden sollte.

Fazit der Studie:

„Resilienz und Diversität stärker fördern, Homo- und Transphobie stärker verurteilen.

Aus den Analysen des SOEP geht deutlich hervor, dass für gleiche Chancen auf ein gesundes Leben von LGBTQI*-Menschen noch viel zu tun ist. Die deutlichen Unterschiede bei psychischen und möglicherweise stressbedingten körperlichen Krankheiten lassen auf große Belastungen im alltäglichen Leben von LGBTQI*-Menschen schließen.

Dies deutet darauf hin, dass – obwohl die gesetzlichen Veränderungen in den letzten Jahren positiv zu bewerten sind – sie das Erbe jahrelanger gesellschaftlicher und institutioneller Diskriminierung nicht ohne Weiteres aufheben konnten.

Dies gilt besonders für Trans*-Menschen: Indem sie nach der heutigen Gesetzeslage eine psychiatrische Diagnose brauchen, um geschlechtsangleichende Maßnahmen ergreifen zu können, wird ihre Identität per se als krank bewertet, also noch immer pathologisiert.

Es ist wichtig, dass sexueller und geschlechtlicher Vielfalt nicht länger eine Behandlungsbedürftigkeit anhaftet, damit LGBTQI*-Menschen in ihrer Menschen-würde und Autonomie gestärkt werden. Dazu sollte Homophobie und Transfeindlichkeit im Strafgesetzbuch deutlich als Hasskriminalität benannt und sanktioniert werden. So kann LGBTQI*-Menschen Schutz geboten und Angst genommen werden.

Des Weiteren sollten Angebote innerhalb der LGBTQI*-Communities, wie Beratungsangebote, Angebote für Freizeitaktivitäten, queere Treffpunkte, kulturelle Programme und Sportvereine als sichere Orte (engl. „safe spaces“), stärker gefördert werden, auch in kleineren Gemeinden. Langfristig sollten zudem deutliche Anstrengungen zu einer queeren Antidiskriminierungspolitik vorangetrieben werden.

Dazu gehört, dass Initiativen zur Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz von LGBTQI*-Menschen, wie Trainings,Workshops und Wissensportale an Schulen sowie in Unternehmen, nicht nur angeboten, sondern verbindlich vorgeschrieben werden.“

Zusammenfassung Studie LGBTQI_Menschen haben geringere Chancen auf ein gesundes Leben

Weitere Infos:

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Alles, was ich hasste. Das Gegenteil von Freundschaft ist Feindschaft. Unser Autor hat sie in seiner Schulzeit zu spüren bekommen. Hier erzählt er, wie es sich anfühlt, gemobbt zu werden.Steven Meyer.  18.12.2019 (Fluter. Magazin Bundeszentrale für Politische Bildung)

Homosexualität ist am Arbeitsplatz noch immer ein Tabu (Süddeutsche Zeitung, 19.7.2017)

Aus Politik und Zeitgeschichte 9_2018 u.a. Queere Geschichte und der Holocaust