Gespräch mit dem Militärhistoriker Sönke Neitzel über den Widerstand der Ukraine und die Chance auf eine diplomatische Lösung

phoenix persönlich: Prof. Sönke Neitzel zu Gast bei Michael Krons – 327.159 Aufrufe – 11.03.2022 –phoenix – 

„Es ist die Stunde der Waffen, nicht die Stunde der Diplomatie“, so der Militärhistoriker Sönke Neitzel mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Putin und seine Generäle hätten die Ukraine ganz massiv unterschätzt und offensichtlich nicht mit so viel Widerstand gerechnet. Chancen für eine diplomatische Lösung zum jetzigen Zeitpunkt sieht Neitzel nicht, auch wenn es Krisentelefonate und Krisentreffen gebe. Nach der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass Deutschland 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitstellen würde, stellt sich für Neitzel die Frage, „ob Scholz es ernst meint, die Bundeswehr kriegsbereit zu machen und so einen Beitrag zum Schutz der europäischen Werte und der Demokratie zu leisten“.

In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Michael Krons mit dem Militärhistoriker Sönke Neitzel über den Widerstand der Ukraine gegen den russischen Angriff, die Chance auf eine diplomatische Lösung und über eine mögliche Zeitenwende in der deutschen Sicherheitspolitik.

Internationaler Frühschoppen: Krieg in der Ukraine – Reagiert der Westen richtig?

Internationaler Frühschoppen: Krieg in der Ukraine – Reagiert der Westen richtig?35.993 Aufrufe –  13.03.2022 –phoenix – 

Seit zwei Wochen herrscht Krieg in der Ukraine. Der Westen unterstützt die Ukraine, liefert Waffen und beschließt Sanktionen. Ein direktes Eingreifen der NATO soll aber unbedingt verhindert werden. Derweil beharrt Wladimir Putin auf der Neutralität und dem Verzicht eines NATO-Beitritts der Ukraine. Außerdem fordert er die Anerkennung der Krim und der Separatisten-Gebiete. „Die Ukraine wird nicht kapitulieren“, heißt es aus der Regierung Selenskyj. Die Souveränität der Ukraine sei nicht verhandelbar und das Land brauche Sicherheitsgarantien des Westens.

Wie kann der Krieg in der Ukraine gestoppt werden? Welche Sanktionen sind noch denkbar? Wie kann eine diplomatische Lösung erreicht werden?

Anke Plättner diskutiert mit Ihren Gästen: – Georg Mascolo, Rechercheverbund NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung (Deutschland) – Anna Rose, Deutschlandkorrespondentin des russischen Radiosender Echo Moskwy (Russland) – Roman Goncharenko, Deutsche Welle Russisch/Ukrainisch – Cathryn Clüver Ashbrook, Publizistin und Politikwissenschaftlerin beim „Global Public Policy Institute (GPPi)“ (USA)

Putins Krieg – Geschichte als Waffe

Putins Krieg – Geschichte als Waffe | Terra X

115.161 Aufrufe . 13.03.2022 –Terra X – 

Kreml-Chef Putin nutzt Russlands Geschichte und imperiale Tradition zur Rechtfertigung für den Krieg gegen die Ukraine. Sind seine Begründungen historisch fundiert oder deutet er die Vergangenheit um?

Vor seinem Angriff auf die Ukraine hält der russische Präsident zwei Fernsehansprachen, in denen er die Geschichte zum propagandistischen Waffenarsenal macht. In diesem Video blicken wir auf Momente, Personen und Wendepunkte aus 1000 Jahren russischer Geschichte, auf die Putin sich bezieht. Renommierte Expertinnen und Experten ordnen das Geschichtsbild des russischen Präsidenten kritisch ein.

Auf dem Prüfstand steht zum Beispiel Putins Glaubenssatz von der „historischen Einheit der Russen und Ukrainer“ oder auch die Behauptung, die Ukraine verdanke ihre Existenz dem Sowjetführer Lenin. Der Film fragt: Was hat es mit der historischen Wirklichkeit zu tun, wenn der Sieg über Hitler vor allem für Russland verbucht wird und die Ukrainer eher als Nazi-Kollaborateure abgestempelt werden? Was ist dran am Vorwurf gegen die NATO, dass sie mit ihrer Osterweiterung Russland belogen, betrogen und bedroht habe?

/Kapitel// 00:23 Intro 02:01 Putins Sicht auf die Geschichte 05:22 Gemeinsame Wurzeln von Russen, Belarussen und Ukrainern 08:58 Putins historische Vorbilder 12:58 Erster Weltkrieg & Februarrevolution 17:00 Stalin, Holodomor & Zweiter Weltkrieg 23:21 Von Chruschtschow bis Gorbatschow 28:54 Putin und die NATO-Osterweiterung 33:19 Die „Orangene Revolution“ 38:00 Der Krieg in der Ukraine

Team// Autoren: Stefan Brauburger, Stefan Gierer Schnitt: Christian Herold

Prof. Dr. Horst Teltschik – Russland und der Westen

Horst Teltschik | Unsichere Welt – Wie bedrohlich ist Putins Russland? (NZZ Standpunkte 2007) 

7.858 Aufrufe – 11.10.2015 – NZZ Standpunkte –  

Russlands Präsident Putin hat jüngst die Tonalität gegenüber dem Westen deutlich verschärft, sei es im Umgang mit Estland, sei gegenüber Europa am EU-Russland-Gipfel in Samara, sei es gegenüber den USA im Fall der Raketenabwehr. Das weckt Erinnerungen an die Zeit der bipolaren Konfrontation vor 1989. – Wie bedrohlich ist Russland wirklich? Was ist aus der neuen Weltordnung geworden, die Präsident George Bush nach 1989 proklamierte? Leben wir nicht vielmehr in einer Welt der Unordnung – hervorgerufen durch ein wiedererstarkendes Russland, den islamistischen Terrorismus, die Atomaspirationen Irans, den Krieg in Irak, den Energiehunger Chinas? –

Seit Jahren ein profunder Beobachter der internationalen Sicherheitspolitik ist Prof. Dr. Horst Teltschik. Er hat als Vorsitzender der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik im Februar Präsident Putin die Plattform geboten, auf der dieser zum ersten Mal öffentlich die kompromisslosere Aussenpolitik Russlands ankündigte. Teltschik war während Jahren der engste aussenpolitischer Berater von Bundeskanzler Kohl und hat an dessen Seite die Ereignisse von 1989 und deren Folgen aus allernächster Nähe miterlebt. Mit ihm unterhalten sich Markus Spillmann und Marco Färber in der Sendung NZZ Standpunkte. Sendung vom 2. Juni 2007


Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007

43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik vom 9. bis 11. Februar 2007, Bayerischer Hof Motto: „Frieden durch Dialog: Globale Krisen – Globale Verantwortung“ Redetext auf deutsch: http://www.ag-friedensforschung.de/th…

Redetext und Video auf russisch: http://www.kremlin.ru/events/presiden… Redetext auf englisch: http://en.kremlin.ru/events/president…

Presseecho: https://www.spiegel.de/politik/auslan… „Wenn Putin die Welt tatsächlich als unipolar erlebt, dann wollte er wohl heute darauf aufmerksam machen, dass sich sein Russland dem nicht beugen will.“ https://www.zeit.de/online/2007/07/Pu… „Nach dem Auftritt Putins besteht für den Westen nicht der geringste Anlass zur Beruhigung.“ https://www.welt.de/politik/article69… „Viele Konferenzteilnehmer sind sich einig, dass Putins scharfe Rede in erster Linie für den heimischen Markt in Russland bestimmt ist. Amerikaner und Russen hätten viel zu viele gemeinsame Interessen, als dass sie sich auf einen neuen „Cold War“ einlassen könnten.“ https://www.reuters.com/article/us-ru… „NATO Secretary-General Jaap de Hoop Scheffer said he was disappointed by Putin’s statement that alliance enlargement was “a serious factor provoking reduced mutual trust”. “I see a disconnection between NATO’s partnership with Russia as it has developed and Putin’s speech,” he said. Kremlin spokesman Dmitry Peskov, however, denied the Russian president was trying to provoke Washington. “This is not about confrontation. It’s an invitation to think,” he told reporters.“


Russisches Roulette – Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Horst Teltschik und Stefan Kornelius

1.309 Aufrufe  – 31.05.2019 –

Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden. Ein Gespräch mit Horst Teltschik und Stefan Kornelius/SZ

Die NATO und Russland befinden sich in einer Eskalationsspirale, die nicht selten an Sandkastenspiele trotziger Kinder erinnert: Truppen werden an die Grenze verlegt, die Militärs führen Manöver durch, die jeweils klar gegen den anderen gerichtet sind, es wird aufgerüstet und von gegenseitigem Vertrauen ist nichts mehr zu spüren. Wie konnte es so weit kommen?

Horst Teltschik zeigt in seinem Buch, wie die Chancen von 1989/90 auf eine stabile internationale Friedensordnung verspielt wurden und warum die heutige Konfrontation zwischen NATO und Russland durch eine neue Entspannungspolitik entschärft werden muss.

Horst Teltschik war unter Helmut Kohl stellvertretender Leiter des Kanzleramtes und Chef der Abteilung für auswärtige Beziehungen. Als Sonderbeauftragter spielte er eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zur deutschen Einheit 1989/90. Von 1999 bis 2008 leitete Horst Teltschik die Münchner Sicherheitskonferenz. Stefan Kornelius ist Ressortleiter Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung


Horst Teltschik im Telepolis Salon 25.06.2019

1.945 Aufrufe – 04.07.2019

Telepolis-Salon am 25. Juni auf der Alten Utting mit unserem Gast Prof. Dr. Horst Teltschik

Vor 70 Jahren, am 4. April 1949, wurde die Nato als Verteidigungsbündnis gegründet, der Gegner hieß damals Sowjetunion.

Im selben Jahr, am 29. August, wurde die erste sowjetische Atombombe erfolgreich gezündet. Stalin hatte das sowjetische Atomwaffenprogramm nach dem Abwurf amerikanischer Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki beschleunigt.

Wir befinden uns wieder in einer ähnlichen Eskalationsspirale zwischen der von den USA dominierten Nato und Russland wie im Kalten Krieg vor 60 Jahren. Nach einer kurzen Phase der Wiederannäherung und der Möglichkeit einer neuen Friedensordnung nach der Auflösung der Sowjetunion begann mit der fortschreitenden Osterweiterung der Nato und den Plänen zur Stationierung des US-Raketenabwehrsystem in osteuropäischen Ländern nach der Aufkündigung des ABM-Vertrags erneut eine Phase der Eskalation, die schon längst wieder zu einem nuklearen Wettrüsten geführt hat, das mit Cyberwar-Szenarien, Hyperschallraketen oder -drohnen und autonomen (Waffen)Systemen noch gefährlich ist als im „alten“ Kalten Krieg, zumal neben der Nato und Russland auch China und weitere Staaten mitspielen und die Lage explosiver machen.

Horst Teltschick hat gerade ein Buch mit dem Titel „Russisches Roulette“ veröffentlicht, in dem er erörtert, warum die Chance nach dem Ende des Kalten Krieges nicht ergriffen wurde oder werden sollte, eine Annäherung zwischen Nato und Russland als Partner zu erwirken. Eine politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland in einem Gemeinsamen Wirtschaftsraum und damit auch eine neue Friedensordnung wäre in Aussicht gestanden, da mit der KSZE und später der OSZE schon etwas in Gang gebracht wurde.

Nach einigen Schritten in diese Richtung wurden aber nach und nach die Verbindungen durchschnitten und Verträge gekündigt. Teltschik beschreibt, wie die Chancen verspielt wurden und die Konfrontationspolitik vor allem der Nato zu der gefährlichen militärischen Eskalationsspirale geführt haben, in wir uns befinden. Teltschik hat wie kaum ein anderer die Zeit vom Ende des Kalten Kriegs über die Friedensbemühungen und bis zur neuen Eskalation politisch als Akteur und in Kenntnis von vielen der beteiligten Politiker mitverfolgt.

Der Politikwissenschaftler war ab 1970 für die CDU tätig und wurde 1972 vom damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl in die Staatskanzlei geholt. 1982 wurde er unter Kohl Leiter der Abteilung „Auswärtige und innerdeutsche Beziehungen, Entwicklungspolitik, Äußere Sicherheit“ und stellvertretender Leiter im Bundeskanzleramt in Bonn, er war als außenpolitischer Berater von Kohl und 1989/1990 an den Verhandlungen zur deutschen Einheit beteiligt.

Danach ging er in die Wirtschaft und war u.a. für Bertelsmann, BMW und Boeing tätig. Von 1999 bis 2008 leitete er die Münchner Sicherheitskonferenz, wo sich jährlich internationale Spitzen- und Sicherheitspolitiker, hohe Militärs, Vertreter der Rüstungsindustrie und internationalen Organisationen treffen. Teltschik spricht von einem „Kalten Frieden“ und wirbt für eine neue Entspannungspolitik.

Moderator: Florian Rötzer Das Buch: https://www.chbeck.de/teltschik-russi…

Ulrich Schmid | 100 Jahre Einsamkeit – Russland seit 1917 (NZZ Standpunkte 2017)

Ulrich Schmid | 100 Jahre Einsamkeit – Russland seit 1917 (NZZ Standpunkte 2017) – 9.643 Aufrufe – 02.10.2017 NZZ Standpunkte – 

„Die russische Oktoberrevolution von 1917 gehört zu den wichtigsten politischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Aus dem Staatsstreich einer radikalen linken Avantgarde entwickelte sich ein totalitäres Macht- und Gewaltsystem, das die Welt jahrzehntelang in Atem hielt. Mit dem Sturz der Sowjetunion 1991 schien der Spuk ein Ende zu haben. Doch zerschlugen sich unter Putin die Hoffnungen auf Eintracht in einem gemeinsamen europäischen Haus.

Mit dem St. Galler Slawisten und Russlandkenner Prof. Dr. Ulrich Schmid unterhalten sich NZZ Chefredaktor Eric Gujer und die Politikphilosophin Katja Gentinetta über die Oktoberrevolution und ihre Folgen bis heute.“

Sendung vom 23.9.2017

Ulrich Schmid: Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2015.

Gekürzte Rezension, Quelle: Blog Litteratur.ch

Schmid analysiert den – vor allem seit der Krimannexion – neuen Traum vom russischen Imperium anhand der künstlerischen Aktivitäten in den unterschiedlichsten Medien (bis hin zum Computerspiel) und zeigt die sich mehr und mehr verstärkenden Versuche einer Gleichschaltung der öffentlichen Meinung. Und Putin trifft in diesem seinem Großmachtstreben offenbar den Nerv des russischen Bürgers, der über den Verlust seines Weltmachtstatus noch nicht hinweggekommen ist. …

Was sich anfangs sehr gut und eingängig liest (Schmid untersucht die Funktion der “Wahrheit” in totalitären Systemen und insbesondere den durch das Sowjetsystem geprägten Zugang Russlands), verkommt allerdings mit Fortdauer des Buches zu einer wenig erquicklichen Aufzählung der verschiedensten kulturellen Aktivitäten, die sich für oder gegen das herrschende Regime stellen, ohne dass deren tatsächliche Relevanz und Einfluss genauer dargestellt werden.

Schmid erzählt seitenlang den Inhalt belletristischer Werke (es ist die schiere Menge, die dabei ermüdet) …Trotzdem bekommt man einen Eindruck dieses für die meisten im Westen nicht wirklich fassbaren Landes: Der Traum von einem neuen Imperium resultiert nicht unwesentlich aus dem nie aufgearbeiteten Untergang des Sowjetreiches, der eine Art Minderwertigkeitsgefühl zurückgelassen hat. Genau dieses Gefühl in einem nationalistischen Großmachttraum zu bündeln ist Putin – vor allem durch Krim-Annexion und den Ukrainekonflikt – hervorragend gelungen.

Eine der wenigen im Buch referierten Zahlen einer Umfrage dokumentiert dies: 80 % der Russen würden einer solchen Großmachtphantasie auch persönliche (wirtschaftliche) Opfer bringen, das imaginierte Imperium ist wichtiger als der Lebensstandard. Humanistische Ideale haben wenig Platz: Sie gelten als Zeichen der Schwäche, als dekadent – und man hat den Eindruck, als ob Russland eine archaisch-nationalistische und pubertär anmutende Entwicklung nachzuholen sich anschickt.

Worüber man lachen könnte, wenn dies nicht einerseits ein höchst gefährliches Spiel wäre und wenn diese Dummheiten nicht auch in fast allen westlichen Ländern wieder Fuß zu fassen begännen (make America great again – Deutschland den Deutschen usf.). Es ist dieses im Grunde primitive, antizivilisatorische Denken, das etwa in Österreich die Rechtspartei veranlasst, Verständnis für das russische Tun zu äußern; ein überwunden geglaubtes Denken, das sein unheilvolles Potential im 20. Jahrhundert mehrfach entfaltete. Und das zumindest kurzfristig …wieder salonfähig geworden zu sein scheint. Insofern ist das Buch denn auch lesenswert: Es erlaubt einen Einblick in jene nationalistische Seele, die man schon auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgt glaubte.