Wie können wir Demokratie an unserer Schule erfahren und leben? Veranstaltung mit Dr. Wolfgang Beutel am 12.11.2020

Die Einladung von Dr. Wolfgang Beutel zum einem Vortrag zum Thema „Wie können wir Demokratie an unserer Schule erfahren und leben?“ – ursprünglich in den RaunerCampus, dann auf die ZOOM-Plattform – hat(te) u.a. einen Hintergrund in der „Kirchheimer Erklärung“. Die „Kirchheimer Erklärung“ – im September 2020 auf den Weg gebracht – spricht sich für eine solidarische, gerechte und vielfältige Gesellschaft aus – und gegen Ausgrenzung, Demokratieverachtung, Hass, Hetze und Rassismus. Sie basiert auf den grundlegenden Werten der Demokratie und beginnt mit Artikel 1, Satz 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

In der Begründung macht sie aber deutlich, dass auch in unserem Land und in unserer Stadt Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern sich aktiv den Gefährdungen stellen muss – antidemokratischem Verhalten, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Dass es auch linken und islamistischen Extremismus und Terrorismus gibt, ignorieren die Initiatoren der Kirchheimer Erklärung nicht. Es stand aber im Februar 2020 nicht im Vordergrund. Zu diesem Zeitpunkt waren es die rechtsterroristischen Morde von Hanau, die Festnahme eines Kirchheimer Unternehmers als Teil eines muslimfeindlichen, rechtsterroristischen Netzwerks, das u.a. Anschläge auf Moscheen geplant hatte.

Dr. Wolfgang Beutel entfaltete in 10 Punkten die Komplexität des Themas „Demokratie und Schule“

1. Ausgangspunkte: Demokratie in …. Politik, Gesellschaft und Schule
2. Was ist „Demokratiebildung od. Demokratiepädagogik?
3. Ziele und Möglichkeiten von Demokratiepädagogik und demokratischer Schulentwicklung
4. Voraussetzungen und motivationale Aspekte von Demokratie-Lernen
5. Demokratie und Schule – viele Verbindungslinien!
6. Das Projekt
7. Demokratiepädagogik: Handlungsmöglichkeiten und Anhaltspunkte in der Schulpraxis
8. Die aktuelle Lage in Politik und Zivilgesellschaft
9. Der „Wettbewerb Demokratisch Handeln“
10. Thesen

Er schloss seine Ausführungen mit 10 Thesen ab:

  1. Ein andauernder Zwiespalt: Schule ist nicht demokratisch und Schule muss deshalbbesonders demokratisch sein!
  2. Die Schule ist das Lebens- und Entwicklungsmilieu, in dem junge Menschen entscheidendeLebensschritte gehen (individuelle, moralische und politische Sozialisation) und Erfahrungen mitnehmen, die so oder so zur politischen Identität beitragen.
  3. Demokratie ist nicht alleine Mehrheitsentscheidung und politische Institutionenwelt – sie wird durch Populismus und ausschließende „Wir sind das Volk“-Ideologie massiv undemokratisch.
  4. Die Reform der Lehrerbildung – ebenso wie die gegenwärtige „Qualitätsoffensive LB“ des BMBF und der Hochschulen – steigern Effizienz, Mobilität, fachliche Qualität und überfachliche Kooperation – jedoch nicht die demokratiepädagogische Kompetenz derLehrerschaft.
  5. Die Demokratie ist heute näher an Kindern und Jugendlichen denn je: Wahlrechtsreform –Wählen ab 16 auf Landes- und Kommunaleben; Kinderrechte/Menschenrechte; digitale Medien – Social Apps.
  6. Schule hat eine exklusive und mehrheitserreichende Funktion für die
    „Demokratiepädagogik“.
  7. Demokratiepädagogik hat in der bildungspolitischen Gesamtlage wenig Bedeutung, obwohl die dort verhandelten Konfliktpunkte (Schulzeit G-8/9; Inklusion; Unterrichtsqualität, Lehrerprofessionalität) alle mittelbar mit der demokratischen Qualität von Schule korrespondieren.
  8. Demokratiepädagogik als Querschnittsaufgabe der Schule verfügt inzwischen über ein breites Repertoire praxisbewährter Methoden.
  9. Zugleich gilt: Schule steht unter Druck. Auch deshalb ist eine nicht auf messbare Effizienz angelegte Schulqualitätsstrategie wie die der Demokratiepädagogik politisch praktisch bedeutungslos.
  10. Schulforschung heute ist ein Geschäft abseits der demokratischen Schulentwicklung.

Zur Ilustration dieser Anmerkungen hier die Präsentation von Dr. Beutel

Veranstaltung Demokratie 12.11.20 – Bericht des Teckboten vom  13.11.20

Zum Hintergrund des Referenten

Dr. phil. Wolfgang Beutel – eigentlich studierter Gymnasiallehrer – arbeitete bereits seit Mitte der 1980er Jahre am Thema Schulentwicklung.

Von 1988 bis 1991 war er Geschäftsführer des „Fördervereins Praktisches Lernen Baden-Württemberg“. Seit 1989 hat er – gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Fauser – am  Aufbau des Projektes „Demokratisch Handeln“gearbeitet.

Seit 1989 war  er in der Geschäftsführung des Projektes „Demokratisch Handeln“ tätig. In seiner Dissertation (1996) befasste er sich mit dem Thema  „Schule als Ort der politischen Bildung“. Seine Arbeitsschwerpunkte waren „Praktisches Lernen“, „Demokratie lernen in Jugendarbeit und Schule“, der Wettbewerb „Demokratisch Handeln“.

Beutel arbeitete mit in der wissenschaftlichen Begleitung und Multiplikatorenfortbildung am BLK-Modellprogramm „Demokratie lernen und leben“. Seit August 2020 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektmanager „Monitor Demokratiebildung“ am Institut für Demokratiedidaktik der Leibniz-Universität Hannover.

Zur geplanten Fortführung

Der Vortrag „Wir können wir Demokratie an unserer Schule erfahren und leben?“ sollte außerdem dazu motivieren, sich am Schulwettbewerb „Demokratisch handeln“ zu beteiligen.

Zudem sollte der Vortrag von Dr. Beutel Ausgangspunkt eines längeren Arbeitsprozessen von Kirchheimer Schüler*innen, SMV-Angehörigem, Eltern, Elternvertretern, Lehrer*innen, Schulleitungen und Menschen mit Interesse an Bildungsthemen sein zum Thema „Wie können wir Demokratie in unserer Schule erfahren und leben?“ . Aufgrund der Corona-Lage muss dieses Projekt ins nächste Jahr verschoben werden.

Im Mittelpunkt des Arbeitsprozesses sollte der „Leitfaden Demokratiebildung“ stehen. Dieser Leitfaden muss ab dem Schuljahr 2019/2020 in allen allgemein bildenden und beruflichen Schulen verbindlich umgesetzt werden. https://www.schule-bw.de/themen-und-impulse/extremismuspraevention-und-demokratiebildung/demokratiebildung/leitfaden-demokratiebildung

Weiterführende Infos:

John Dewey – Demokratie und Erziehung